Wladimir Putin kann weiter regieren. In einer international umstrittenen Abstimmung hat die große Mehrheit der Russen für eine Verfassungsänderung im Sinne des Präsidenten gestimmt.

Wladimir Putin stehen anscheinend viele weitere Jahre im Amt offen. Schon bevor die Wahllokale schließen, heißt es in offiziellen Verlautbarungen: Mehr als 70 Prozent der Russen haben für eine Verfassungsänderung gestimmt, die es dem russischen Präsidenten theoretisch ermöglicht, weitere 26 Jahre im Amt zu bleiben – vorausgesetzt, er wird wiedergewählt.

Die Reformen sehen nicht nur zwei weitere mögliche Amtszeiten Putins von 2024 an vor, sondern auch eine stärkere Rolle des Präsidenten. Außerdem Bestandteil der Verfassungsänderungen: eine neue Machtbalance in der Regierung, bessere Sozialleistungen für viele Russen – und das Verbot für gleichgeschlechtliche Paare zu heiraten.

Wahlergebnisse in vorauseilendem Gehorsam veröffentlicht

Zum Zeitpunkt, da diese ersten Ergebnisse veröffentlicht werden, sind zwar erst 15 Prozent der Stimmen ausgezählt. Doch die Wahlkommission lässt wenig Zweifel daran, dass es am Ende so kommen wird wie vom Kreml erhofft. Dabei wäre das Votum des Volkes gar nicht nötig gewesen, denn die Verfassungsänderungen sind längst vom Parlament beschlossen, vom Verfassungsgericht bestätigt und vom Präsidenten unterzeichnet.

Rein rechtlich hat die Volksabstimmung also keinerlei Bedeutung, und sie erfüllt auch gar nicht die Voraussetzungen eines echten Verfassungsreferendums. Aber Putin, so Beobachter, wolle dem Ausbau seiner Macht zumindest einen demokratischen Anstrich verpassen.

Mit aller Macht zum Wunschergebnis

Tatsächlich zogen die russischen Behörden offenbar alle Register, um die Menschen an die Wahlurnen zu bringen. Unter anderem wurden Autos und Wohnungen in Aussicht gestellt und Geschenkgutscheine angeboten. Eigens engagierte Prominente riefen von Plakatwänden zur Abstimmung auf. Staatliche Krankenhäuser und Schulen wurden angehalten, ihre Angestellten zur Wahlteilnahme zu drängen. Aus vielen Regionen des Riesenreichs wurde gar berichtet, dass Menschen zur Stimmabgabe gezwungen wurden.

Außerdem sehen Kritiker allein in der langen Dauer der Abstimmung – die Wahllokale waren eine Woche lang geöffnet – ein Risiko, dass das Ergebnis manipuliert werden könne. Zudem gab es Wahlurnen buchstäblich in den abgelegensten Winkeln: Auf Hinterhöfen, Spielplätzen und Baumstümpfen wurden improvisierte Wahllokale eingerichtet, und im Internet kursieren Aufnahmen von Menschen, die in den Kofferräumen von Autos wählen. Investigative Journalisten führten vor, dass sogar Mehrfachabstimmungen möglich waren.

Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 01. Juli 2020 um 20:00 Uhr.

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