Mein Mann ist „Breaking Bad“-süchtig. Ernsthaft! Er ist der ultimative Frühaufsteher. Ich eher so die Eule. Nachdem ich heute um 8.45 Uhr endlich aufgestanden bin, stellte ich fest, dass er die Serie schaut und schon bei Staffel 2 ist. „Die wievielte Folge ist das denn heute?“
„Boah, ich weiß gar nicht. Glaub die vierte. Das ist soooo spannend!“
Um elf reißt mir der Geduldsfaden. „Wie viele Folgen willst du denn jetzt noch anschauen?“, frage ich entnervt.
„Das ist soooo spannend!“, erklärt er eindringlich.
Ich kann’s nicht mehr sehen, denke ich mir. „Noch eine Folge, okay?!“
„Okay!“, sagt er freudig und widmet sich sofort wieder dem Fernseher.

Claudia Herrmann mit Katze

Claudia Herrmann über sich: „Die Kinder sind aus dem Haus und ich bin vor der Menopause. Ich glaub, das ist die beste Zeit meines Lebens! Ich muss nur aufpassen, das ich jetzt nicht zur crazy cat lady mutiere.“

Was soll ich denn jetzt mit dem machen, frage ich mich? Gibt’s Selbsthilfegruppen für so was? „Hallo, mein Name ist so und so und ich bin ‚Breaking Bad‘-süchtig.
„Wie viele Staffeln gibt’s eigentlich?“, hake ich nach. Er meint sechs. Ist sich aber nicht sicher. Kurze Rechnung: Nachdem wir an Tag 3 der Ausgangssperre sind und er bei Staffel 2 ist, müsste sich das Problem an Tag 9 erledigt haben.

Zum Arzt? Jetzt?

Derweil ruft meine Schwiegermutter an und erzählt von ihrem Zahnarztbesuch. An der Prothese war etwas abgeplatzt.
„Inge! Du kannst wegen so einer Lapalie doch jetzt nicht zum Zahnarzt! Das ist ein riesiges Risiko!“ „Ja, aber da ist was abgeplatzt! So kann ich doch nicht rumlaufen!“, erklärt sie mir aufgeregt.
„Mensch Inge, du sollst doch eh ned außer Haus gehen. Da is do wurscht!“, schön langsam reg ich mich auch auf. „Aber der Karl sieht mich!“
„Der Karl ist 93! Deswegen lässt er sich nicht mehr scheiden!“
Inge ist anderer Meinung.

Was ist los mit den Menschen? Meine Schwiegereltern sind beide round about 90. Meine Kinder round about 20. Beide haben die gleiche Meinung zur Corona-Krise. Alle vier sind ultra uneinsichtig und spielen die Situation runter. „So schlimm wird das schon nicht!“, hat mir mein Sohn das letzte Mal erklärt. „Das wird aufgebauscht!“
Ich konnte das gar nicht glauben, dass er so was von sich gibt.
 „Schaust du denn keine Nachrichten?“ „Nich so.“
 „Hörst du Nachrichten im Radio?“ „Nich so.“
 „Liest du Zeitungen oder so was?“ „Mom! Du weißt, das ich nicht lese!“

Nachdem ich einen halbstündigen Vortrag zum Thema Isolation, Selbstschutz, Ausbreitung und Schützen der alten Mitbürger gehalten habe, tätschelte er lächelnd meine Schulter mit den Worten: „Du bist mal wieder überbesorgt. Aber ich muss jetzt noch schnell einkaufen gehen für die WG. Mach’s gut!“
Er ist genauso einsichtig wie meine Schwiegereltern. „Kauf auf Vorrat!“, ruf ich ihm noch hinterher. Er winkt mir lachend aus dem Auto zu.
 „Ja du mich auch …“, murmele ich ihm nach.

Mein Mann hat während des Gesprächs heimlich eine weitere Folge „Breaking Bad“ angefangen.
„Ist gleich aus!“, ruft er, als ich von der Haustüre zurückkomme.

Das wichtigste Thema dieser Tage? Essen

Jeder geht halt anders mit der Krise um. Mein Vater löst das so, das er alles postet, was so passiert. Mit Ausgangssperre passiert halt nicht so viel. Also eigentlich nix. Deswegen postet er immer das Essen. Wir schicken kollektiv immer Daumen-hoch-Bilder.

Das mit dem Essen spielt hier bei uns auch eine immer größere Rolle, habe ich festgestellt. Mein Mann frägt mittlerweile ab 17 Uhr, was es morgen zum Essen gibt. Ich hab jetzt ein Ritual. Ich habe eine Magnettafel am Kühlschrank befestigt und schreibe zu irgendeinem Zeitpunkt drauf, was es morgen zum Essen gibt. Kann um 16 Uhr sein. Kann um 20 Uhr sein oder um 24 Uhr.
Irgendwann sieht er es dann und freut sich.

Man muss aber dazu sagen, dass wir nur einmal am Tag essen. Abgesehen von Sachen, die man im Stehen am Kühlschrank isst … Morgen gibt’s Pasta mit weißer Bolognese und Erbsenrahm. Hört sich gut an, oder? In Echt ist es halt das übrige Rindfleisch mit Nudeln, eingefrorenen Erbsen und dem restlichen Sauerrahm. Wir wollen ja haushalten und möglichst wenig einkaufen!

Lassen wir uns gehen?

Was mir ein bissl Sorgen gemacht hat, war, als ich um 18 Uhr abends festgestellt habe, das ich immer noch die Jogginghose anhabe. Seit 8.45 Uhr morgens.

Lassen wir uns etwa gehen? Mein Mann ist gar nicht rasiert, stelle ich fest und fuck!, meine Haare sind voll fettig.
Also: Mein Sohn schreibt mir eine mahnende Whatsapp, das nicht zu ernst zu nehmen, mein Mann schaut „Breaking Bad„, Schwiegermama erklärt mir am Telefon, dass sie morgen unbedingt zum Augenarzt muss und ich poste meinem Vater ein Bild von unserem Mittagessen.

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