Das Europäische Parlament will den künftigen Zugang Großbritanniens zum EU-Binnenmarkt auch davon abhängig machen, ob die Rechte von EU-Bürgern auf der Insel nach dem Brexit gewahrt bleiben. „Jedes Abkommen über die künftigen Beziehungen sollte ehrgeizige Vorgaben für die Freizügigkeit von Personen enthalten“, heißt es im Entwurf einer Resolution, die die Abgeordneten nächste Woche in Straßburg beschließen wollen. Diese Rechte sollten „dem Grad der künftigen Kooperation in anderen Gebieten angemessen sein“.

Die Resolution gleicht einem Misstrauensvotum gegen Großbritanniens Premierminister Boris Johnson. Denn eigentlich sind die Rechte der EU-Bürger, die derzeit in Großbritannien leben, (genau wie die der Briten in der EU) durch das Austrittsabkommen, auf das sich die EU und Großbritannien verständigt haben, gut geschützt. Für sie gelten die bisherigen Rechte weitgehend fort, allerdings müssen sie sich bis zu einem bestimmten Zeitpunkt um einen neuen Aufenthaltsstatus bemühen. Völlig offen ist hingegen, wie es um die Freizügigkeit jener EU-Bürger steht, die sich erst nach dem Brexit in Großbritannien niederlassen. Der Wunsch, den Neubürgern die alten Rechte nicht zu gewähren, war einer der Kernpunkte der Brexit-Befürworter. 

Das Misstrauen herrscht parteiübergreifend

Die Parlamentarier geben mit der Resolution ihrer Sorge Ausdruck, dass es nach dem Brexit zu Verschlechterungen kommen könnte.

  • Beispielsweise zeigen sie sich „extrem besorgt“ über widersprüchliche Ankündigungen der britischen Regierung, was mit jenen EU-Bürgern geschieht, die beispielsweise Meldefristen für den künftigen „Settled“-Status versäumen. Die Parlamentarier beziehen sich damit offenbar unter anderem auf Äußerungen des britischen Staatsministers für Sicherheit, Brandon Lewis, in der „Welt“, der für diesen Fall die Möglichkeit von Abschiebungen ins Gespräch gebracht hatte.

  • Probleme gibt es auch bei der unabhängigen Monitoring-Stelle, die eigentlich dafür sorgen soll, dass EU-Bürger ihre Rechte künftig auch durchsetzen können. Die von der britischen Regierung eingebrachten Gesetze zur Umsetzung des Austrittsabkommens legen nahe, dass diese unabhängige Stelle auch suspendiert werden könnte. Britische Zeitungen hatten berichtet, dass sich EU-Chefunterhändler Michel Barnier deswegen bereits schriftlich bei Brexit-Minister Stephen Barclay beschwert habe.

Das Misstrauen gegen Johnson herrscht parteiübergreifend. „Die Regierung Johnson sollte die im Austrittsabkommen beschlossenen Regelungen tunlichst umsetzen und aufhören, auf Kosten der Betroffenen den starken Mann zu markieren“, sagt der Fraktionschef der Linken im Europaparlament, Martin Schirdewan.

David McAllister (CDU), der Chef des Auswärtigen Ausschusses, macht klar, dass die Parlamentarier nicht nur an diejenigen EU-Bürger denken, die bereits in Großbritannien leben, sondern beispielsweise auch an solche, die erst nach dem Brexit nach Großbritannien ziehen wollen. Zwar habe man zu akzeptieren, dass die britische Regierung die Arbeitnehmerfreizügigkeit für EU-Bürger abschaffen will, so McAllister. Auf der anderen Seite sei die Personenfreizügigkeit eine „fundamentale Säule des Binnenmarkts“, und zu ihm wolle die britische Regierung weiterhin Zugang haben. „Je mehr Zugang man zum Binnenmarkt haben will“, so McAllister, „desto mehr muss man sich an unseren Regeln orientieren“.

Der CDU-Politiker hofft offenbar, dass das EU-Parlament schon angesichts des enormen Zeitdrucks in den Verhandlungen guten Chancen haben wird, seine Vorstellungen durchzusetzen. „Die Bürgerrechte“, meint McAllister, „werden ein ganz wesentlicher Hebel gegenüber der britischen Regierung sein.“

Das EU-Parlament will dem Austrittsabkommen am 29. Januar zustimmen. Mit der Resolution will es zeigen, dass es bei den Bürgerrechten auch im Rahmen der weiteren Verhandlungen genau hinschauen will. Auch die Regelungen über die künftigen Beziehungen müssen am Ende vom EU-Parlament ratifiziert werden.

Das Thema der Bürgerrechte spielte auch beim Besuch Ursula von der Leyens am Mittwoch in London eine Rolle. Nach der Rede der Kommissionschefin an der London School of Economics meldeten sich gleich mehrere Zuhörer mit entsprechenden Fragen. In Großbritannien leben derzeit etwa 3,2 Millionen EU-Bürger.

Icon: Der Spiegel

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