Wärme, wolkenloser Himmel und blühende Gärten – vielerorts in Europa ist das Frühlingswetter geradezu traumhaft. Allerdings nicht unbedingt aus Sicht der Landwirte, die eher auf Regen hoffen. Schließlich drohen bei zu großer Trockenheit Ernteverluste. Ein Problem, mit dem Europa – parallel zur Pandemie – im Sommer konfrontiert sein könnte. Noch wird darüber wenig geredet. Noch scheinen sich die Landwirte mehr Sorgen über den Mangel an ausländischen Saisonarbeitern zu machen, die nicht einreisen können, weil die Grenzen geschlossen sind, um das Coronavirus zu bekämpfen.

Diese und weitere Quarantänemaßnahmen rücken derzeit alle anderen Themen in den Hintergrund, einschließlich der Folgen des Klimawandels, die noch im Januar wegen der Waldbrände in Australien und davor denen in Brasilien ein großes Thema waren.

Erderwärmung ist nicht verschwunden

„Der Januar war zu warm. Es gibt keinen Hinweis, dass sich die globale Erwärmung verzögert oder vermindert“, sagt Andreas Becker vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in Frankfurt am Main. Zudem seien der Januar und März zu trocken gewesen, der Februar hingegen sehr nass. Der Pegelstand von Deutschlands größtem Fluss, des Rheins, stieg Anfang März bei Bonn auf über sechs Meter stark an. Seitdem ist er wieder auf aktuell rund zwei Meter gesunken. Das ist deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt von 3,5 Metern. 

Düsseldorf Trockenheit am Rhein (picture-alliance/dpa/M. Gerten)

Am Ufer des Rheins sind 2018 durch die anhaltende Trockenheit Risse entstanden

Immerhin hatten die Niederschläge im Februar den Feuchtigkeitsverlust im Boden der vergangenen beiden Jahre teilweise ausgeglichen, sagt Meteorologe Becker. Im Sommer 2018 und 2019 hatte in Europa eine Rekordhitze mit über 40 Grad geherrscht. Der für Pflanzen notwendige Mutterboden in 20 bis 50 Zentimetern Tiefe habe sich, so Becker, inzwischen besser erholt als die Bodenschichten in bis zu zwei Metern Tiefe, die für Bäume wichtig seien. Dort gebe es noch „Restdefizite“ an Feuchtigkeit. Nun verschlechtert sich die Lage erneut, da es im März zu wenig geregnet hat – in Deutschland fielen nur 50 bis 75 Prozent der üblichen Menge. Für Meteorologen grenzt dies schon an eine Dürre.

Trockenheit vor allem in Osteuropa

Andreas Marx vom Mitteldeutschen Klimabüro am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig macht deutlich, dass es in den vergangenen drei Jahren ein ungewöhnlich hohes Niederschlagsdefizit gegeben – und zwar im gesamten Norden Deutschlands, in großen Teilen Polens, der Ukraine, Weißrusslands, Russlands bis nach Rumänien.

„Gleichzeitig gab es ungewöhnlich hohe Temperaturen“, so der Experte. Verstärkt habe das Problem der schneearme Winter, wobei das Ausbleiben von starkem Frost sich positiv ausgewirkt haben könnte. „Wenn der Boden gefroren ist, ist es egal, wie viel es darauf regnet oder schneit“, sagt Marx. Nach seinen Angaben konnte der Regen in Deutschland – dank des milden Winters – im Februar die Böden mit Feuchtigkeit sättigen.

Der Experte betonte, dass drei Wochen ohne Regen in Europa noch ein normaler Zyklus sind. Ungewöhnlich sei in den vergangenen Jahren allerdings die zunehmende Stabilität des Jetstreams. Der mäandert in mehr als zehn Kilometern Höhe um die Nordhalbkugel. Dieses schlangenlinienförmige Starkwindband verschiebt sich dabei normalerweise andauernd, was am Boden zu stets wechselnden Wetterlagen führt – bislang.

„Der Klimawandel hat dazu geführt, dass der Nordpol sich wesentlich stärker erwärmt als der Äquator. Jetzt geht der Jetstream stärker nach Norden und Süden“, so Marx. Folge: Der Jetstream verschiebt sich nicht mehr so stark wie früher. Dadurch hätten sich über längere Zeiten sehr stabile Wetterlagen ergeben, was 2018 in Deutschland zu einer Dürre geführt habe. Andernorts trat dafür anhaltender Starkregen auf.

Wie trocken wird der Sommer 2020?

Die Frage, wie der Sommer wird, beantworten Meteorologen ungern, denn Prognosen für ein, zwei Wochen gelten bereits als unsicher. Becker und Marx stellen beide fest, dass das Wetter in Europa aufgrund von Bergen, Meeren und des Atlantiks weniger vorhersehbar ist als zum Beispiel in Australien, das von allen Seiten von Wasser umgeben ist. Doch beide Experten gehen davon aus, dass auch dieser Sommer wärmer sein wird als sonst. So könnte in Deutschland laut DWD die Temperatur im Durchschnitt um 0,5 bis ein Grad höher liegen.

Deutschland | Wetter | Jahresrückblick 2019 | Trockeheit (picture-alliance/dpa/O. Berg)

Trockenheit erhöht die Gefahr von Ernteverlusten

Marx, der sich auf aktuelle Daten des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage (EZMW) stützt, rechnet in Europa bis zum Hochsommer nicht nur mit warmem, sondern auch mit trockenem Wetter. Er meint, in allen Teilen der Welt hätten sich Hitzeperioden verändert. „Hitzetage sind heißer als 30 Grad. Für Leipzig erwarten wir statistisch sieben bis acht solcher Tage pro Jahr. 2018 waren es aber 36 und 2019 waren es 29. Damit dauerte die Hitze drei- bis viermal länger als der Durchschnitt“, so Marx. Das habe weitreichende Konsequenzen für das Gesundheitswesen und die Landwirtschaft.

Hitze könnte Corona-Belastung verstärken

Wenn es so kommt, wie die Experten vermuten, hätten die Europäer diesen Sommer neben möglichen Corona-Ausgangsbeschränkungen auch unter anhaltender Hitze zu leiden. Dies ist schon unter normalen Wetterbedingungen für ältere Menschen – also die COVID-19-Hauptrisikogruppe – äußerst belastend. Außerdem fällt es schwer, bei Hitze Schutzmasken zu tragen.

Schließlich könnten durch Dürre verursachte Waldbrände zu starker Rauchentwicklung führen. Das wäre für die Lungen von Menschen, die mit Corona infiziert sind, eine weitere Belastung. Immerhin schließt Andreas Becker vom DWD aufgrund des Klimas und der Nähe des Atlantiks in Europa apokalyptische Brände wie in Australien aus.

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