Nayib Bukele und seine Partei „Nuevas Ideas“ (Neue Ideen) verblüffen immer wieder aufs Neue. Die Partei des 39-jährigen Präsidenten war bei der Parlamentswahl im März aus dem Stand stärkste Kraft in El Salvador geworden und hatte zusammen mit der verbündeten Gana-Partei die Zweidrittelmehrheit in der Nationalversammlung erobert. Zuletzt war der umstrittene Staatschef mehrfach mit den Verfassungsrichtern aneinandergeraten, weil sie mehrere seiner Dekrete zur Bekämpfung der Corona-Pandemie kassiert hatten. Kritiker werfen Bukele schon länger vor, einen autoritären Regierungsstil zu pflegen.

Am 1. Mai trat das neue Parlament des zentralamerikanischen Landes zusammen und traf Entscheidungen, die die noch junge Demokratie, die erst im Jahr 1992 nach Jahrzehnten des blutigen Bürgerkriegs ihren Anfang nahm, gravierend belasten könnten. Schnell und für viele Beobachter auch überraschend entließ das Parlament die Richter des obersten Gerichtshofs und den Generalstaatsanwalt des Landes. Dies löste national und international scharfe Kritik aus, allen voran von Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International.

EL Salvador | Abstimmung Kongress über Richter des Obersten Gerichtshofs

Abstimmung im Kongress über die Entlassung der Obersten Richter

Die Nachfolger der entlassenen Verfassungsrichter wurden nach einer kurzen Beratungszeit vereidigt und von Beamten der Nationalen Zivilpolizei (PNC) aus dem Gebäude eskortiert – ohne der im mitternächtlichem Regen wartenden Presse eine Erklärung abzugeben. Dieses Vorgehen sorgte sofort für großes Unbehagen im Land.

Ein Staatsstreich?

„Natürlich ist das ein Staatsstreich. Es gab einen Zusammenbruch der verfassungsmäßigen Ordnung“, sagt die Abgeordnete der linken Partei FMLN Dina Argueta der DW. „Das neue Parlament hat, anstatt der Bürgerschaft eine positive Botschaft zu vermitteln, der Demokratie, den demokratischen Institutionen selbst, aber vor allem dem Staat einen schweren Schlag versetzt“, fügt Argueta hinzu.

Im gleichen Tonfall äußert sich der Fraktionschef der rechtskonservativen Partei ARENA, René Portillo, gegenüber DW: „Das Parlament hat in einer Mehrheitsentscheidung etwas beschlossen, was einem Staatsstreich gleichkommt. Es hat den Gerichtshof völlig demontiert und den Generalstaatsanwalt in klarer Verletzung der Verfassung und der Verfahren, nach denen diese Art von Beamten entlassen werden kann, gefeuert. Außerdem ist dies eine politische Monopolisierung der gesamten Macht der Institutionen in einer einzigen politischen Partei, was ebenfalls durch die salvadorianische Verfassung verboten ist.“

El Salvador Wahlen | Präsident Nayib Bukele

El Salvadors Präsident Nayib Bukele wird ein autoritärer Regierungsstil vorgeworfen

Der Direktor des Instituts für Menschenrechte der Mittelamerikanischen Universität (IDHUCA), José María Tojeira, erklärt gegenüber DW, dass die Entlassungen aus rein „politische Gründen“ erfolgt seien. Sie wurden damit gerechtfertigt, dass zuvor einige Dekrete des Präsidenten für verfassungswidrig erklärt wurden. Doch dies sei, so Tojeira, genau das, was ein Verfassungsgericht zu tun habe, nämlich jede Art von Dekret oder Entscheidung eines anderen staatlichen Organs für verfassungsgemäß oder verfassungswidrig zu erklären. Die Absetzung durch das Parlament war für Toreira deswegen eindeutig autoritär und illegal.

Ganz anders äußert sich der Präsident der Nationalversammlung, Ernesto Castro: „Wir werden endlich regierbar sein und wir werden dieses Land vorwärtsbringen, alle zusammen mit der gleichen Vision“, sagte er am Ende der ersten Plenarsitzung gegenüber Journalisten. „Was hier zählt sind die Übergriffe, die sie dem Volk angetan haben, und nicht das, was eine kleine Gruppe von Leuten hier zu verdrehen sucht“, fügte Castro von der Regierungspartei Nuevas Ideas hinzu. Er bestritt auch, dass es sich um einen Staatsstreich handle. 

Gefahr des Machtmissbrauchs

„Wir leben in einer Zeit, die Ähnlichkeiten mit dem Ende der 1960er und dem Beginn der 1970er-Jahre in El Salvador hat, als demokratische Freiräume geschlossen wurden, Organisationen und Menschen, die zu protestieren begannen, unterdrückt wurden und Zustände geschaffen wurden, die in einem bewaffneten Konflikt endeten“, erklärt die Journalistin und Expertin für Menschenrechte Celia Medrano.

Die Hassreden und die autoritären Aktionen, die aktuell stattfinden, würden zu einer Wiederholung der Geschichte führen, so Medrano. Es stimme zwar, dass diese Regierung in den regulären Wahlen den Sieg davongetragen habe, sie sei jedoch trotzdem nicht befugt, den Obersten Gerichtshof oder die Generalstaatsanwaltschaft anzugreifen und Entscheidungen zu treffen, die die verfassungsmäßige Ordnung untergraben und die Verfassung selbst verletzen.

„Diese Art von Aktionen werden von Präsident Bukele als eine Art Hausputz verkauft, in den sich die internationale Gemeinschaft nicht einmischen solle“, meint José María Tojeira. Doch was in El Salvador geschehe, sei der Versuch, die demokratischen Institutionen des Landes zu demontieren und sie dem Willen und der Gewalt der Regierung zu unterstellen.

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