Stand: 30.08.2021 04:13 Uhr

Beim TV-Triell vier Wochen vor der Wahl waren die Rollen klar verteilt: Laschet attackiert, Baerbock auch, Scholz bleibt ruhig – manchmal wirkt es fast, als habe er das Studio schon verlassen.

Von Marcel Heberlein, ARD-Hauptstadtstudio

Das erste TV-Triell beginnt mit einer Finte. Als die drei Kandidaten gefragt werden, warum der jeweils andere nicht Kanzler kann, sagt nicht nur Olaf Scholz: „Ich glaube, dass das nicht der Stil ist, den wir in Deutschland miteinander pflegen sollten.“

Marcel Heberlein
Marcel Heberlein ARD-Hauptstadtstudio

Doch die persönlichen Angriffe lassen nicht lange auf sich warten. Vor allem Armin Laschet schien sich vorgenommen zu haben, den eigenen Abwärtstrend in den Umfragen mit Attacken auf die politischen Gegner zu stoppen. „Bei der Drohne haben auch leider Sie, Herr Scholz, die Unterlagen, die Ihnen seit Monaten vorliegen, einfach nicht weitergegeben“, sagt Laschet. „Wir hätten längst diese Möglichkeit, wenn Sie da nicht so zögerlich wären.“

Scholz reagiert. Allerdings so, wie man das von ihm kennt – maximal unaufgeregt. „In dem Augenblick, in dem die Frage der Bewaffnung zu entscheiden ist, wird sie auch entschieden. Und zwar so, dass die Sicherheit unserer Bundeswehr gewährleistet ist.“

„Desaster für die Bundesregierung“

Immer wieder legt Laschet seine Stirn in Falten, verteilt Seitenhiebe, versucht vor allem die Scholz‘sche Ruhe zu stören. Meistens jedoch ohne Erfolg. Inhaltlich setzt der CDU-Chef auf alte Wahlkampfklassiker der Union: keine Steuererhöhungen, mehr Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen, mehr Geld für die Bundeswehr. Beim Thema Afghanistan geht er sogar auf Distanz zu den eigenen Leuten. „Das ist ein Desaster, was wir erlebt haben. Ein Desaster des Westens. Auch ein Desaster der Bundesregierung.“

Was Grünen-Chefin Annalena Baerbock ähnlich sieht. In den Umfragen der letzten Wochen hat auch sie massiv eingebüßt. Auch sie braucht eine Trendumkehr. Und auch sie versucht es mit Angriff, manchmal auf Olaf Scholz zu ihrer Linken, meistens aber auf Laschet zu ihrer Rechten, den sie als Mann von gestern beschreibt.

Etwa beim Grünen Top-Thema Klimaschutz. „Sie können ja die Geschichten, die man vor fünf Jahren erzählt, immer wieder erzählen. Aber die Welt hat sich weitergedreht.“

Auch für das Management der Corona-Krise verteilt Baerbock deutliche Kritik – was ihr aus der Opposition heraus naturgemäß leichter fällt als den beiden Männern der Regierungsparteien. Immer wieder zählt sie grüne Veränderungsvorschläge auf. Als einzige der Runde bringt Baerbock aber auch immer wieder private Erzählungen ein, um ihre politischen Forderungen zu begründen. Eine finanzielle Grundsicherung für Kinder zum Beispiel. „Wenn ich erlebe – und das nicht nur als Politikerin, sondern auch als Mutter, dass jedes fünfte Kind in unserem Land in Armut lebt, dann kann ich mich doch nicht einfach hinstellen, wenn ich in der Politik bin, und sagen: Och ja, das ist jetzt einfach so.“

Doofer Schlussfehler

Eine Stunde ist da schon um in der Debatte. Immer wieder beharken sich Baerbock und Laschet, Scholz ist meistens außen vor. Fast könnte man auf die Idee kommen, Scholz hätte das Studio schon verlassen. Bis Armin Laschet kurz vor Schluss die Koalitionsfrage stellt: „Die Bürger erwarten, bei den Wahl-Ergebnissen, die da jetzt prognostiziert werden, ob sie sich von der Linken zum Kanzler wählen lassen“, sagt er. „Und ob sie linke Minister in ein Kabinett berufen. Ja oder nein?“

Scholz wird grundsätzlich, zählt Bedingungen auf: Bekenntnis zur NATO, zu soliden Finanzen, zu wirtschaftlichem Wachstum – Dinge, die für die Linke kaum zu schlucken sein werden. Baerbock geht noch klarer auf Distanz.

Aber Laschet reicht das nicht. Er will von Scholz eine klare Absage an ein Linksbündnis hören: „Ich mach es nicht. Drei Worte“, fordert Laschet. Was allerdings vier Worte wären, nicht drei. Doofer Schusselfehler, merkt Laschet selber. Und auch den Gefallen einer endgültigen Absage an ein Linksbündnis tun ihm Scholz und Baerbock letztlich nicht.

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