Sie war schon auf der Zielgeraden – doch jetzt wieder nichts. Das für heute angesetzte GroKo-Spitzentreffen zur Grundrente ist abgesagt. Verschoben auf den kommenden Sonntag – wegen offener Punkte, teilte die Union mit.

Seit Monaten verhandeln CDU, CSU und SPD über die milliardenschwere Grundrente. Am Abend sollten eigentlich die Koalitionsspitzen beraten – und das symbolisch aufgeladene Projekt eintüten. Doch das Treffen fällt aus. Es gebe noch offene Punkte, teilte die CDU mit. Deshalb werde die Sitzung des Koalitionsausschusses auf den 10. November verschoben. Aus der SPD hieß es, die Verschiebung sei von der CDU ausgegangen.

Freitag hatte es noch geheißen, dass die Spitzenvertreter von CDU, CSU und SPD am Montagnachmittag auf Arbeitsebene eine Einigung für den geplanten Koalitionsausschuss am Abend vorlegen wollten. Nun sieht man offenbar noch stärkeren Abstimmungsbedarf in der Arbeitsgruppe unter Leitung von Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD).

Mit oder ohne Bedürftigkeitsprüfung?

Der Streit über die Grundrente belastet seit Monaten die Koalition. Im Zentrum des Streits steht die Frage, welche finanziellen Voraussetzungen Rentner mit niedrigen Ruhestandsbezügen für den Erhalt der staatlichen Zusatzleistung erfüllen müssen. Einig ist man nur darin, dass alle, die 35 Jahre an Beitragszeiten aufweisen, eine Rente zehn Prozent oberhalb der Grundsicherung bekommen. Das ist auch im Koalitionsvertrag vereinbart.

Die Union argumentiert, die Grundrente solle nur nach Prüfung der individuellen Bedürftigkeit ausgezahlt werden – so ist es auch im Koalitionsvertrag vereinbart. Die SPD lehnt jedoch eine solche Prüfung ab, was den Kreis der Anspruchsberechtigten deutlich vergrößert. Als erster Kompromiss war zuletzt diskutiert worden, ob es anstelle der von der Union geforderten Bedürftigkeitsprüfung eine Einkommensüberprüfung geben könnte. Doch auch hier kurz darauf ein Dementi: „Geeinigt ist nichts“, so CDU-Politiker Jens Spahn. Auch Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus schloss eine Lösung ohne eine Bedürftigkeitsprüfung aus. „Das wird mit uns nicht klappen“, sagte Brinkhaus der „Welt“. „Wir wollen keine Steuergelder an Menschen verteilen, die die Unterstützung gar nicht brauchen.“

Zu den großen Knackpunkten in der GroKo zählt die Frage, welche Kosten die Grundrente jährlich verursachen darf. Im Mai hatte das SPD-geführte Arbeitsministerium einen Entwurf vorgelegt, wonach rund drei Millionen Menschen Grundrente beziehen sollten. Er rechnet mit Kosten von jährlich 4,8 Milliarden Euro bis 2025. Die Union will Kosten und Zahl der Anspruchsberechtigten deutlich enger fassen.

Für die GroKo geht es um mehr als die Grundrente

Im Grundrenten-Streit geht es aber längst mehr als um die Grundrente. Es geht auch um die GroKo und ihre Handlungsfähigkeit. In der SPD knüpfen führende Politiker den Bestand der Koalition an die Verwirklichung dieses Sozialprojekts. Ein Scheitern dürfte die Halbzeitbilanz aus SPD-Sicht negativ beeinflussen und es den Stimmen in der Partei, die für einen Verbleib in der GroKo werben, noch schwerer machen. Auch die Wahl des Führungsduos könnte beeinflusst sein und die Chancen der GroKo-kritischen Bewerber Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken erhöhen.

Auf Unionsseite gibt es vor allem in der Fraktion große Vorbehalte, der SPD in der Grundrenten-Frage zu weit entgegen zu kommen – zumal der Fortbestand der Großen Koalition ohnehin unklar ist. „Für uns als Union ist klar, dass wir uns nicht an die SPD verkaufen“, sagte Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans im Bericht aus Berlin. Er unterstrich: „Die Bedürftigkeitsprüfung muss kommen.“ Dies gebiete schon die Generationengerechtigkeit.

Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 03. November 2019 um 17:15 Uhr.

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