Seit mehr als einem Jahr steckt Israel in einem politischen Patt. Nun soll Oppositionsführer Gantz laut Präsident Rivlin als erster die Chance erhalten, eine neue Regierung zu bilden.

Der Oppositionsführer und Ex-Militärchef Benny Gantz wird von Israels Staatspräsident Reuven Rivlin offiziell mit der Regierungsbildung beauftragt. Zuvor hatte sich Rivlin mit dem amtierenden Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu und mit den politischen Parteien beraten. Innerhalb eines Monats könne Gantz nun eine Regierung bilden.

Netanyahu und Gantz verständigten sich auf Gespräche über eine Einheitsregierung. Beide hätten zugestimmt, dass Unterhändler ihrer beiden Parteien „so schnell wie möglich“ zusammenkommen sollten, stand in einer gemeinsamen Erklärung. Erste Gespräche darüber verliefen am Sonntagabend aber ergebnislos. 

Seit mehr als einem Jahr ist Israel in einem politischen Patt gefangen. Weder Netanyahu noch Gantz konnten eine Regierungsmehrheit bilden. Daran haben auch drei vorgezogene Neuwahlen nichts geändert. Die rechtskonservative Likud-Partei des bisherigen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu hatte zwar bei der Parlamentswahl am 2. März die Nase vorn. Sie erreichte mit ihren Verbündeten aber wieder keine Regierungsmehrheit. Seine Gegner halten 62 der 120 Sitze im Parlament und empfahlen Rivlin am Sonntag, Gantz als Regierungschef zu nominieren.

Korruptionsklage gegen den Regierungschef

Die bisherige Opposition ist allerdings stark zersplittert und reicht von der arabisch-dominierten Vereinten Liste bis zur ultra-nationalistischen Partei Israel Beitenu des früheren Verteidigungsministers Avigdor Lieberman. Dieser und zwei Mitglieder von Gantz‘ Bündnis Blau-Weiß haben angekündigt, keine Regierung zu unterstützen, die auf die Vereinte Liste angewiesen ist.

Lieberman sprach sich zwar für Gantz aus, forderte unter wegen der Coronavirus-Pandemie jedoch eine Notregierung, der auch Likud angehören soll. Netanyahu hatte Gantz am Donnerstag aufgerufen, für eine begrenzte Zeit mit ihm zusammenzuarbeiten. Heute legte er einen formellen Vorschlag dazu vor. Gantz wies das als unseriös zurück, schloss eine Zusammenarbeit mit Likud aber nicht aus. Hintergrund ist ein Korruptionsprozess gegen Netanyahu, der kommende Woche beginnen sollte, wegen der Coronakrise inzwischen aber auf Mai verschoben wurde. Gantz hatte immer wieder erklärt, er werde nicht mit einem Ministerpräsidenten unter Anklage koalieren.

Rivlin drängte die beiden Kontrahenten zur Zusammenarbeit. „Jeder, der die Nachrichten verfolgt, versteht, dass dies eine Zeit der Prüfung ist“, sagte er. „Wir müssen uns jetzt so schnell wie möglich um die Bildung einer Regierung kümmern (…) in dieser komplizierten Zeit.“ In Israel sind bislang etwa 200 Infektionen mit dem Coronavirus festgestellt worden. Die Regierung hat Zehntausende Bürger unter Quarantäne gestellt. Fast allen Touristen ist die Einreise verboten. Israelis, die aus dem Ausland heimkehren, müssen ebenfalls in Quarantäne.

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