Nordkorea lässt den Streit um gegen Machthaber Kim gerichtete Ballonkampagnen eskalieren – und will sämtliche Kommunikationskanäle zum Süden kappen.

Nordkorea will alle Kommunikationskanäle zu Südkorea kappen. Die Regierung in Seoul habe Aktivisten nicht daran gehindert, mithilfe von Ballonen Flugblätter mit Kritik an Machthaber Kim Jong Un Richtung Norden zu schicken, gab die staatliche nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA bekannt. Daher würden ab dem Nachmittag sämtliche grenzübergreifenden Kommunikationsverbindungen abgeschnitten. Dies sei „der erste Schritt der Entschlossenheit, jeden Kontakt mit Südkorea komplett herunterzufahren und sich von unnötigen Dingen zu trennen.“

Ballone mit Flugblättern über die Grenze zu schicken, ist seit Jahren gängige Praxis. Die kommunistische Führung in Pjöngjang zeigte sich darüber indes in den vergangenen Tagen zunehmend verärgert. So drohte Nordkorea mit der dauerhaften Schließung eines Verbindungsbüros und eines gemeinsam mit Südkorea betriebenen Unternehmensparks, die beide als wichtige Symbole der innerkoreanischen Versöhnung gelten. Zudem warnte Pjöngjang, ein Militärabkommen zur Reduzierung der Spannungen von 2018 werde für null und nichtig erklärt, sollte Seoul das Vorgehen der Aktivisten nicht unterbinden.

Keine Antwort auf der Hotline

Das Vereinigungsministerium sowie das Verteidigungsministerium in Seoul bestätigten, dass Nordkorea auf Anrufe nicht mehr reagiere. Eine versuchte Kontaktaufnahme über die Telefonleitung im Verbindungsbüro in der nordkoreanischen Grenzstadt Kaesong sei unbeantwortet geblieben, sagte eine Sprecherin des Vereinigungsministeriums. Ihre Behörde hatte das Nachbarland zuvor aufgerufen, die Verbindungen in Übereinstimmung mit den innerkoreanischen Abkommen aufrechtzuerhalten.

Auch die Hotline zwischen dem Präsidialamt in Seoul und dem Büro des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Un in Pjöngjang sind von der Maßnahme Nordkoreas betroffen. Doch das Büro von Präsident Moon Jae In, der eine Annäherungspolitik zu Pjöngjang verfolgt, hielt sich zunächst mit einer Reaktion zurück. Im April 2018 hatten Moon und Kim im Grenzort Panmunjon bei ihrem ersten von drei Gipfeln versprochen, sich regelmäßig treffen, über ihre Hotline anrufen sowie ein Kommunikationsbüro in Kaesong öffnen zu wollen.

Diplomatische Sackgasse

Es ist nicht das erste Mal, dass Nordkorea die Kontaktaufnahme verweigert, doch will die Führung in Pjöngjang jetzt nach Ansicht von Beobachtern mit ihrer Ankündigung den Druck auf Seoul erhöhen. Der Regierung des ideologisch verfeindeten Nachbarn wurde in den nordkoreanischen Staatsmedien „verräterisches und durchtriebenes Verhalten“ vorgeworfen. Die Einstellung der Leitungen sei nur der erste Schritt, um „alle Kontaktwege“ abzuschneiden.

Ohne die Aktionen an der Grenze direkt zu benennen, bei denen mit riesigen Heißluftballons Flugblätter in Richtung Nordkorea geschickt werden, war von „widerlichem Gesindel“ die Rede, das sich feindselig gegen Pjöngjang verhalten habe. Nordkorea sieht demnach die Würde von Machthaber Kim Jong Un verletzt. Zuletzt hatten die Aktivisten Ende Mai etwa eine halbe Million Flugblätter verschickt. Ziel dieser häufig unternommenen Ballonkampagnen ist es, die Nordkoreaner zum Sturz der Führung aufzurufen.

Die Regierung in Seoul hatte zuletzt versucht, die ins Stocken geratenen diplomatische Wiederannäherung beider Staaten mit der Zusage einer neuen Gesetzesinitiative gegen die Ballonkampagne der Aktivisten wiederzubeleben. Doch hat der Norden Südkorea vorgehalten, es mit der Reaktion nicht ernst genug zu meinen.

Zwar hatte Südkorea in besonders heiklen Zeiten mitunter Polizisten entsandt, um die Ballonkampagnen zu unterbinden. Forderungen des Nordens nach einem vollständigen Verbot hatte Seoul aber mit Verweis auf freie Meinungsäußerung nicht nachgegeben. Für die Ballonaktionen sind in der Regel nordkoreanische Überläufer und konservative Aktivisten verantwortlich. In den Flugblättern wird vor allem die Atom- und Menschenrechtspolitik von Machthaber Kim angeprangert. Die jüngste Eskalation kommt zu einer Zeit, in der die Nukleardiplomatie mit den USA seit langem in der Sackgasse steckt.

Über dieses Thema berichtete B5 aktuell am 09. Juni 2020 um 08:36 Uhr.

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