Aufbruchstimmung an der Parteispitze, aber nicht in Sachen Groko: Die rund 600 Delegierten auf dem SPD-Parteitag in Berlin haben Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken zu ihrer ersten Doppelspitze gewählt – und damit beauftragt, in den Dialog mit der Union zu treten. Einem raschen Ausstieg aus der Großen Koalition haben die Genossinnen und Genossen eine klare Absage erteilt. (Lesen Sie hier dazu eine Analyse von stern-Hauptstadtreporter Andreas Hoidn-Borchers.)

Im stern ziehen vier Delegierte eine erste Bilanz und schildern, was sie nun von ihrer neuen Führungsspitze erwarten.

Video: SPD-Parteitag - Mit alter Rose in die neue Zeit

Yasmin Schilling, 42, Delegierte der SPD Hessen-Süd

„In der Mitgliederbefragung war ich zunächst Unterstützerin von Michael Roth und Christina Kampmann, da sie für mich den absoluten Neustart verkörpert haben. Die Entscheidung in der Stichwahl fiel mir schwerer, aber meiner Meinung nach kann der Aufbruch nur mit einer Doppelspitze gelingen, die weiter links steht. Insofern habe ich Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken schon eine Art Vertrauensvorschuss gegeben. Ihre offiziellen Bewerbungsreden vor den Delegierten haben mir gefallen – die beiden kamen für mich sehr geerdet und authentisch daher. 

Ich erwarte von den neuen Parteivorsitzenden, dass sie mehr junge Menschen ins Boot holen, konstruktiv streiten – weil Streitbarkeit durchaus gut sein kann – aber dabei nicht die Suche nach Kompromissen aus den Augen verlieren. Daher halte ich auch den Dialog mit der Union, statt den sofortigen Ausstieg aus der Großen Koalition, für richtig und gut. Das wäre ein fataler Schnellschuss gewesen. Diese Lösung ist vernünftig.“

SPD-Delegierter Markus Hümpfer

SPD-Delegierter Markus Hümpfer

Markus Hümpfer, 27, Delegierter der SPD Bayern

„Ich fand schon das Ergebnis der Mitgliederbefragung super, weil es einen Neuanfang bedeutet. Das erwarte ich nun auch von unseren neuen Parteichefs: Dass sie frischen Wind in die SPD bringen, die Partei einen und ein schärferes Profil entwickeln – und das auch zeigen. Es ist ja oft so, dass wir eine klare Meinung oder Haltung zu einem Thema haben, aber diese nicht klar und eindeutig genug herausstellen.

Die Gespräche mit der Union halte ich für richtig. Der Mehrheit der Bevölkerung könnte man nicht vermitteln, die Große Koalition wegen irgendeiner Lappalie aufzukündigen. Ich sehe derzeit kein Thema, das eine solche Tragweite hat und dementsprechend Verständnis hervorrufen könnte. Außerdem geht es letztendlich darum, Deutschland weiter zu bringen und zu entwickeln.“

SPD-Delegierter Milan Pein

SPD-Delegierter Milan Pein

Milan Pein, 45, Delegierter der SPD Hamburg

„Ich habe für die Gespräche mit der Union gestimmt – auch weil ich glaube, dass wir in der Regierung mehr erreichen können als in der Opposition. Die Bundesregierung und die SPD haben, wie ich finde, eine gute Bilanz vorzuzeigen. Von der neuen Parteispitze erwarte ich, dass sie konstruktive Gespräche mit der Union führt, die möglichst zum Erfolg führen. Ich halte diesen Parteitag für einen überraschend guten Ausgangspunkt dafür.“

SPD-Delegierte Sasa Raber

SPD-Delegierte Sasa Raber

Sasa Raber, 33, Delegierte der SPD Berlin

„Ich freue mich über die neue Doppelspitze und habe sie schon in der Mitgliederbefragung präferiert. Was mir allerdings Bauchschmerzen bereitet, ist die Fünferlösung bei den Vize-Parteichefs. Wäre es bei den zuvor geplanten drei Vize-Posten geblieben, hätten wir sozusagen eine richtige Wahl zwischen den Kandidatinnen und Kandidaten gehabt. 

Im Leitantrag hätte ich mir härtere Linien gewünscht. Mir fehlt eine Art Enddatum, an dem man Bilanz zieht, wie die Gespräche mit der Union gelaufen sind – und was daraus folgt. Diese Bilanz taucht in dem geänderten Antrag nicht mehr auf. Daher vertraue ich nun erstmal auf das Verhandlungsgeschick unserer neuen Parteichefs.“

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