Im Prozess gegen den ehemaligen Filmproduzenten Weinstein hat die Verteidigung ihr Abschlussplädoyer gehalten. Dabei versuchte die Anwältin, die Glaubwürdigkeit von Weinsteins mutmaßlichen Opfern zu untergraben.

Von Antje Passenheim, ARD-Studio New York

Der Einzug der Beiden hat Wirkung. Neben der großen, starken Frau im hochgeschlossenen schwarzen Outfit wirkt der angeklagte Mann nun noch kleiner als sonst. Das triumphale, selbstbewusste Lächeln seiner Chefanwältin Donna Rotunno teilt Harvey Weinstein nicht. Er hat dunkle Ringe unter den Augen. Der Ergraute stützt sich auf seinen Rollator. So krumm, dass sich von hinten eine Nackenrolle über den dunklen Kragen seines Anzugs wölbt.

Im Gegensatz zu Weinstein scheint seine Anwältin ihren Auftritt zu genießen. „Sein Leben liegt in Ihren Händen“, erklärt sie kurz darauf den Geschworenen im Gerichtssaal. Rotunno appelliert an die Zwölf: „Nutzen sie ihren New Yorker gesunden Menschenverstand!“

Anwälte fordern gleiche Maßstäbe

Der private Sender Court TV zitiert aus Rotunnos Plädoyer: „Die Staatsanwaltschaft hat die Fälle nicht zweifelsfrei bewiesen. Und im Namen von Herrn Weinstein bitten wir Sie, den Mut zu haben, das damit zum Ausdruck zu bringen, dass Sie für ’nicht schuldig‘ stimmen.“ 

Rotunno betont, wie wichtig es sei, dass ihr Mandant mit den gleichen Maßstäben wie alle anderen Angeklagten behandelt werde. Sprich: mit Angeklagten, die nicht im Fokus der MeToo-Debatte stehen und keine Hollywood-Größe waren. „Ihr müsst zeigen, dass wir uns hier in New York, in den USA, keinem Druck beugen.“

Verteidigung bleibt bei ihrer Strategie

Und damit meint Rotunno: dem Druck der Medien. Die haben ihren Mandanten nach ihrer Meinung vorverurteilt. Mehrfach hat Weinsteins Anwältin das betont. Rotunno blieb in ihrem Plädoyer wie erwartet bei ihrer Strategie: Die Klägerinnen seien unglaubwürdig. Die Anklage habe die Jury mit ihrer Darstellung der Ereignisse austricksen wollen. Es sei nicht schlüssig, dass die mutmaßlichen Opfer keine Verantwortung trügen, wenn sie mit Weinstein auf ein Hotelzimmer gegangen seien. Oder wenn sie sich von ihm hätten Flüge buchen lassen.

Auch nach den mutmaßlichen Sexualverbrechen hätten diese noch ein gutes Verhältnis zu dem einflussreichen Filmproduzenten gehabt – dies mache nur Sinn, wenn es kein Verbrechen gegeben habe. Im Sinne des Gesetzes, das hat Rotunno mehrfach betont. Etwa in einem Interview mit der „New York Times“:

„Es gibt einen Unterschied zwischen Sünden und Straftaten. Sie können denken, dass Harvey Weinstein ein Sünder ist. Und Sie können denken, dass er Dinge getan hat, die Sie nicht tun oder mögen würden. Aber meine Frage hier ist: Reicht das für eine Straftat?“

Diese Frage wird aus ihrer Sicht nun noch die Anklage in ihrem Schlussplädoyer beantworten. Anfang der Woche wird sich die Jury auf unbestimmte Zeit zurückziehen und über Schuld oder Unschuld des einstigen großen Produzenten von Hollywood beraten.

Über dieses Thema berichtete NDR Info am 14. Februar 2020 um 06:15 Uhr.

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