In der Affäre um Geldverschwendung und protzige Dienstwagen bei den Kreisverbänden der Arbeiterwohlfahrt in Frankfurt und Wiesbaden ist es zum Knall gekommen. In einem Schreiben, aus dem die „Frankfurter Rundschau“ zitiert, gaben der bisherige Frankfurter Awo-Geschäftsführer Jürgen Richter sowie sein Sohn, der Wiesbadener Geschäftsführer Gereon Richter, in dieser Woche ihren Rücktritt bekannt.

Er scheide „in einer derart schwierigen Situation nicht leichten Herzens aus dem Amt“, schreibt Jürgen Richter demnach. Mit seinem Rücktritt nach 27 Jahren im Amt reagiere er auch auf die „ständigen personalisierten Angriffe in den Medien auf mich und meine Familie“. Bei dem Rücktritt handele es sich allerdings nicht um ein Schuldeingeständnis. Gleichwohl habe er Fehler gemacht.

Am Montag war bereits der Vorstandsvorsitzende des Kreisverbandes Wiesbaden, Wolfgang Stasche, zurückgetreten. Dem „Wiesbadener Kurier“ hatte Stasche erzählt, dass es „Geschäftsvorfälle gab, die nur schwer mit den Grundwerten eines Sozialverbandes vereinbar sind“.

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Frankfurt/Main

Die Familie Richter steht im Zentrum des Skandals, der derzeit die Awo in Frankfurt und in Wiesbaden erschüttert und bei dem beinahe täglich neue Vorfälle ans Licht kommen. Während Jürgen Richter als Geschäftsführer in Frankfurt fungierte, übte seine Frau Hannelore bis vor wenigen Wochen die gleiche Funktion in Wiesbaden aus.

Mitarbeiter wurden zwischen Frankfurt und Wiesbaden in einer Art Pool hin- und hergeschoben, der Sohn Gereon Richter erst kürzlich Nachfolger der Mutter an der Spitze in Wiesbaden. Zuletzt waren die Richters jedoch massiv unter Druck geraten, weil extrem hohe Gehälter in der hessischen Landeshauptstadt publik wurden.

So sollen für Hannelore Richter nach Informationen des Hessischen Rundfunks 344.000 Euro im Jahr an Personalkosten zu Buche geschlagen haben, ihr Stellvertreter Murat Burcu kam demnach auf die stolze Summe von 256.000 Euro. Dabei handelt es sich um das sogenannte Arbeitgeberbrutto, das Bruttojahresgehalt ergibt sich, wenn der individuelle Arbeitgeberanteil noch abgezogen wird.

Höheres Gehalt für Frankfurter OB-Gattin

Die Frau von Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann soll ein deutlich höheres Gehalt als üblich bekommen haben. Als Leiterin einer Kindertagesstätte der Arbeiterwohlfahrt, des früheren Arbeitgebers ihres Mannes.

Quelle: WELT/ Christoph Hipp

Die Recherchen zeigten zudem, dass bei der Frankfurter Awo gut dotierte Posten an SPD-Politiker ohne viel Berufserfahrung vergeben wurden: So soll ein 33-Jähriger ohne entsprechende Qualifikation stolze 100.000 Euro im Jahr als Pressesprecher verdient haben. Zudem gab es Berichte über hoch motorisierte Fahrzeuge in beiden Kreisverbänden.

Die Rede ist unter anderem von einem privat angeschafften Jaguar, dessen Fahrtkosten dann der Awo in Rechnung gestellt worden sein sollen. Gereon Richter soll Medienberichten zufolge für seine Hochzeit einen DJ engagiert haben, dessen Auftritt aus der Awo-Kasse bezahlt wurde.

Anonyme Tipps gab es schon im Jahr 2017

Schon im Jahr 2017 hatte es anonyme Tipps an Medien über Unregelmäßigkeiten bei der Awo in Frankfurt und Wiesbaden gegeben. Ans Licht gekommen waren die vielen Auffälligkeiten jedoch laut „Frankfurter Allgemeiner Zeitung“ vor allem deshalb, weil im Juni dieses Jahres eine anonyme Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt einging.

Darin wurde detailliert über das System Awo berichtet; der Anzeigensteller beschrieb Strukturen von Beraterverträgen und Tochterfirmen, die den Begünstigten Einnahmen von vielen Hunderttausend Euro eingebracht haben sollen. Durch diese anonyme Anzeige geriet auch der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) in den Blick.

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Hintergrund sind Vorwürfe, wonach Zübeyde Feldmann, die Ehefrau des Stadtoberhauptes, als Leiterin einer Kita zu hoch bezahlt worden und zu Unrecht einen Dienstwagen erhalten haben soll. Peter Feldmann wiederum war an der Gründung dieser deutsch-türkischen Kita maßgeblich beteiligt und hatte zuvor selbst Posten bei der Awo inne.

Am Donnerstagnachmittag musste sich OB Feldmann in einer Fragestunde in der Stadtverordnetenversammlung zu den Vorwürfen äußern. Die wichtigsten Fragen lauten: Warum bezog die Frau des OB ein Gehalt, das über Tarif lag? Und weshalb nutzte sie einen Dienstwagen – für die Leiterin einer Kita ohnehin nicht vorgesehen – mutmaßlich erst während ihrer Elternzeit?

Feldmann bemühte sich um Aufklärung und räumte Fehleinschätzungen ein. Bezüglich des Dienstwagens, der seiner Frau zur Verfügung gestellt worden sei, wäre im Nachhinein betrachtet sicherlich „mehr Sensibilität angebracht“ gewesen. Er bedauere, zu lange zu den Vorwürfen geschwiegen zu haben. Sie hätten ihn erschüttert und müssten aufgeklärt werden.

Awo schickt Prüfer aus Berlin nach Frankfurt

Trotz Rücktritten dürfte die hessische Awo-Affäre den Bundesverband noch lange belasten. Die Glaubwürdigkeit der Institution Arbeiterwohlfahrt steht auf der Kippe. „Uns erreichen neben der öffentlichen Berichterstattung auch besorgte und kritische Rückmeldungen“, sagte der Awo-Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler WELT. Das sei besonders tragisch für alle Mitarbeiter, die in den bundesweit 480 Kreisverbänden „großartige Arbeit“ leisteten.

Am 16. und 17. Dezember werden deshalb Revisoren aus Berlin Einblick in die Geschäftsbücher der Frankfurter Awo-Zentrale erhalten. Stadler hofft, Licht in den Frankfurter Filz zu bringen. Aufgrund der gesetzlichen Dokumentationspflicht könnten Unterlagen nämlich nicht einfach „unauffällig vernichtet“ werden.

FDP-Politiker Yanki Pürsün vermutet, dass der Frankfurter Awo-Skandal keine Ausnahme ist, sondern dass es bundesweit ähnliche Fälle gibt. Nämlich überall dort, wo die Verbandsstrukturen mit denen in Frankfurt und Wiesbaden vergleichbar seien. „Ich bin mir sicher: Nach eingehenden Prüfungen in den kommenden Jahren werden in ganz Deutschland noch mehr Fälle publik.“

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