Stand: 22.12.2021 13:07 Uhr

Der Ausbau der Windenergie in Deutschland ist 2021 so langsam vorangekommen wie seit 20 Jahren nicht mehr. Die regionalen Unterschiede sind dabei groß. In einem Bundesland ging ein einziges neues Windrad in Betrieb.

Von Nick Schader, SWR

Beim Ausbau der Windenergie war 2021 eines der schlechtesten Jahre in Deutschland seit der Jahrtausendwende. Das ist das Ergebnis einer Datenauswertung des SWR zur Windkraft. Laut den Daten der Bundesnetzagentur gingen dieses Jahr (Stand 21. Dezember) deutschlandweit 460 neue Windkraftanlagen an Land in Betrieb. Das ist der niedrigste Wert seit 20 Jahren. Bisheriger Tiefpunkt war das Jahr 2019 mit 479 Anlagen.

Damit setzt sich der negative Trend der vergangenen Jahre fort. Seit 2018 gab es unter anderem aufgrund von verschärften Abstandsregeln und veränderten Ausschreibungsverfahren einen drastischen Rückgang beim Bau neuer Windkraftanlagen. Im Jahr 2017 wurden in Deutschland noch mehr als 2000 neue Windräder in Betrieb genommen – viermal so viele wie in diesem Jahr.

Klimaziele in Gefahr

Der Ausbau der Windenergie sei in den vergangenen Jahren „hinter den Erwartungen zurückgeblieben“, teilt das zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz auf SWR-Anfrage mit. Deutschland müsse jetzt „beim Ausbau der erneuerbaren Energien zulegen“ und brauche „neue, ertragreiche Flächen für Wind und PV (Photovoltaik) und schnellere Genehmigungsverfahren für die Anlagen“. Daran werde man in der neuen Bundesregierung arbeiten.

Aus Sicht der Energie-Experten der regierungsunabhängigen „Energy Watch Group“ (EWG) droht Deutschland seine Klimaziele zu verfehlen. Um das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen, müsste das Land im Jahr 2030 emissionsfrei sein, das hätten mehrere von ihnen vorgelegte Studien belegt, so ein Sprecher der EWG. Man habe zudem gezeigt, dass die dafür notwendige Energieversorgung aus 100 Prozent erneuerbaren Energien bis 2030 möglich sei. Dafür müsste aber jährlich etwa zehnmal so viel Windkraft-Leistung ans Netz gehen wie im Jahr 2021. Das sei auch ökonomisch sinnvoll, denn Windkraft sei eine der günstigsten Methoden der Stromerzeugung.

Auch der Bundesverband WindEnergie (BWE) fordert, dass sich der Ausbau der Windenergie „deutlich beschleunigen“ müsse, „wenn die Bundesregierung die deutschen Klimaziele erreichen will“. Immerhin gebe es bei der in diesem Jahr neu installierten Gesamtleistung der Windräder einen leichten Aufwärtstrend gegenüber dem Tiefpunkt 2019. Wichtig sei vor allem, dass die Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen von durchschnittlich vier bis fünf Jahren deutlich verkürzt würden. Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung mache Hoffnung, dass sich die Situation in Zukunft verbessere. 

Niedersachsen mit Spitzenposition

Insgesamt sind in Deutschland aktuell rund 30.000 Windräder bei der Bundesnetzagentur gemeldet. Laut der Datenanalyse des SWR stehen davon mit Abstand am meisten in Niedersachsen, nämlich 6391. Dahinter folgen Brandenburg (3927) und Nordrhein-Westfalen (3620). Die wenigsten Windräder stehen erwartungsgemäß in den Stadtstaaten Bremen (93), Hamburg (68) und Berlin (12).

Unter den Flächenländern schneiden vor allem Bayern (1290) und Baden-Württemberg (841) schlecht ab. Bezogen auf die jeweilige Landesfläche stehen diese beiden Bundesländer mit deutlichem Abstand auf den beiden letzten Plätzen. Rein rechnerisch stehen in Bayern und Baden-Württemberg auf einem Quadratkilometer 0,02 Windräder. In Niedersachsen ist die Dichte an Windkraftanlagen sechsmal höher – in Schleswig-Holstein sogar zehnmal so hoch.

Im Ländervergleich zeigt sich auch, dass im relativ kleinen Rheinland-Pfalz (1763) mehr als doppelt so viele Windräder in Betrieb sind wie in Baden-Württemberg (841) – und deutlich mehr als in Bayern (1290). Hessen hat zwar nur ein Drittel der Landesfläche Bayerns, aber fast so viele Windräder (1126).

In Ostdeutschland ist vor allem in Sachsen (916) der Ausbau fast zum Erliegen gekommen. In diesem Jahr ging dort nur ein neues Windrad in Betrieb, 2020 waren es drei. Brandenburg (3927) und Sachsen-Anhalt (2874) sind hier bei den insgesamt installierten Windrädern mit Abstand die Spitzenreiter im Osten. Das sächsische Staatsministerium für Energie teilte auf Anfrage des SWR mit, dass man mit dem Ist-Zustand „überhaupt nicht zufrieden“ sei. Man habe aber bereits ein neues „Energie- und Klimaprogramm“ verabschiedet. Dadurch sollte Hemmnisse abgebaut und der Ausbau in den nächsten Jahren beschleunigt werden.

Ausbau der Windkraft „massiv eingebrochen“

Auch das Umweltministerium in Baden-Württemberg räumte gegenüber dem SWR ein, dass der Ausbau der Windkraftanlagen in den vergangenen Jahren „massiv eingebrochen“ sei – „nicht nur im Süden, sondern bundesweit“. Mit dem Ist-Zustand könne man nicht zufrieden sein. Schuld daran seien unter anderem die langwierigen Genehmigungsverfahren und Artenschutzgründe, die den Ausbau bremsten. Daher habe man jetzt eine „Task Force“ gegründet mit dem Ziel, den Ausbau „massiv zu forcieren“. Zudem sollen im baden-württembergischen Staatswald „die Voraussetzungen für den Bau von 1000 neuen Windenergieanlagen geschaffen werden“, teilte das Umweltministerium in Stuttgart dem SWR mit. In einem ersten Schritt würden zunächst 90 neue Windräder errichtet.   

Das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie teilte mit, es bedürfe für „den Ausbau der Windenergie in der Tat noch mehr Dynamik“. Das Ergebnis für 2021 könne sich aufgrund möglicher Nachmeldungen aber noch verbessern. Mit der „Bayerischen Windenergieoffensive AUFWIND“ werde man sich für eine „Verbesserung des Ausbaus der Windenergie in Bayern“ und für eine Beschleunigung der Genehmigungsprozesse einsetzen. In diesem Jahr sind in Bayern bisher zwölf neue Windräder ans Netz gegangen, darunter vier Kleinstanlagen – in Jahren mit hohen Ausbauzahlen wurden in Bayern bis zu 160 neue Windräder errichtet.

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