Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung kritisiert das Klimapaket der Koalition. In einer Studie hat es berechnet, dass durch den geplanten CO2-Preis Geringverdiener stärker belastet werden als Spitzenverdiener.

Von David Zajonz, ARD-Hauptstadtstudio

Als die Spitzen von CDU, CSU und SPD am 20. September ihr Klimapaket vorstellten, war ihnen die Müdigkeit deutlich anzusehen. Sie hatten die Nacht über durchverhandelt und zumindest körperlich alles für das Klima gegeben. Inhaltlich sprach Vizekanzler Olaf Scholz an diesem Tag von einem „großen Wurf“. Verschiedene Regierungspolitiker betonen seitdem auch, die Klimaschutzmaßnahmen seien sozial ausgewogen. Daran gibt es aber große Zweifel.

CO2-Preis trifft eher ärmere Haushalte.

Ein wichtiger Bestandteil des Klimapakets ist die Bepreisung des CO2-Ausstoßes, durch die beispielsweise Benzin oder Diesel teurer werden sollen. Ab übernächstem Jahr soll der Preis bei zehn Euro pro Tonne CO2 liegen. Danach soll er schrittweise steigen. Der Einstiegspreis wurde bereits von zahlreichen Wissenschaftlern als zu niedrig und damit nahezu wirkungslos kritisiert.

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Ökonomen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) untermauern jetzt einen weiteren Kritikpunkt: Gemessen am Haushaltseinkommen trifft der CO2-Preis in seiner jetzt geplanten Form vor allem Geringverdiener.

In einer neuen Studie des DIW heißt es zur CO2-Bepreisung: „Die privaten Haushalte mit niedrigen Einkommen werden dabei deutlich stärker belastet als die hohen Einkommen.“ Die Studie liegt dem ARD-Hauptstadtstudio exklusiv vor. DIW-Umweltökonomin Claudia Kemfert zieht ein ernüchterndes Fazit: „Das jetzige Klimapaket ist aus verteilungspolitischer Sicht sozial ungerecht und es erfüllt die Klimaziele nicht.“

Mehr als ein Prozent des Nettoeinkommens

Die Wissenschaftler haben berechnet, dass auf Haushalte mit niedrigerem Einkommen im Durchschnitt eine Belastung in Höhe von teils mehr als einem Prozent ihres Nettoeinkommens zukommt. Das oberste Zehntel der Haushalte hat demnach hingegen im Durchschnitt nur eine Mehrbelastung von 0,4 Prozent seines Nettoeinkommens zu erwarten. Zwar ist der CO2-Ausstoß von reicheren Menschen tendenziell höher, doch auch ärmere Menschen müssen beispielsweise im Winter heizen. Gemessen an ihrem Einkommen trifft sie eine CO2-Bepreisung proportional mehr.

In ihrem Szenario legen die DIW-Forscher das Jahr 2026 zugrunde und gehen von einem Preis von 60 Euro pro Tonne CO2 aus. Neben den Belastungen durch die Bepreisung haben sie auch die von der Bundesregierung geplanten Entlastungen bei den Strompreisen und durch die Pendlerpauschale berücksichtigt.

Während von niedrigeren Strompreisen gerade auch Geringverdiener etwas haben, hilft die Pendlerpauschale vor allem höheren Einkommensgruppen. Da sie mehr verdienen, haben sie auch einen höheren Steuersatz und profitieren deshalb mehr von den Steuererleichterungen für Pendler. Die DIW-Forscher plädieren deshalb stattdessen für ein einheitliches Mobilitätsgeld, das pro Kilometer ausgezahlt werden soll. Davon würden die unteren Einkommensschichten deutlich mehr profitieren, so Umweltökonomin Kemfert.

Mobilitätsprämie nicht berücksichtigt

Besonders deutlich wird das im Fall von Geringverdienern, die überhaupt keine Einkommenssteuer zahlen und entsprechend nichts von der höheren Pendlerpauschale haben. Diese Lücke hat auch die Bundesregierung erkannt und gegenüber ihren ursprünglichen Plänen vom 20. September nachgebessert. Pendler, die nicht von der Pendlerpauschale profitieren, sollen eine Mobilitätsprämie pro Kilometer bekommen. Das betrifft aber nur eine relativ kleine Personengruppe, das Bundesfinanzministerium rechnet mit gut 200.000 Betroffenen.

Diese neue Maßnahme der Regierung haben die DIW-Forscher in ihren Berechnungen noch nicht berücksichtigt. Aufgrund des geringen Personenkreises gehen sie aber statistisch von keinem großen Effekt aus.

Als ähnlich wenig relevant bewerten die Ökonomen die von der Bundesregierung geplante Erhöhung des Wohngeldes. Auch die Verteilungswirkung von Förderungen, etwa für Elektromobilität oder für die Gebäudesanierung, wurde in der DIW-Studie nicht einbezogen.

Klimaprämie als sozialen Ausgleich

Prinzipiell ist DIW-Ökonomin Kemfert für eine CO2-Bepreisung. Diese sollte ihrer Meinung nach sogar deutlich höher ausfallen als aktuell geplant. Kemfert fordert aber eine Klimaprämie als sozialen Ausgleich. Ein solcher einheitlicher Betrag sollte pro Kopf an alle Bürger gezahlt werden, „damit wir gerade auch untere Einkommensbezieher stärker entlasten und sogar übervorteilen können“, so Kemfert. Eine Klimaprämie hatte die Bundesregierung zeitweise diskutiert. Am Ende konnte sie sich aber nicht darauf einigen, die Bürger auf diese Weise großflächig zu entlasten.

Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 17. Oktober 2019 um 06:05 Uhr.

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