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Nach dem überraschenden Vorstoß des Robert-Koch-Instituts am Dienstag hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) RKI-Chef Lothar Wieler den Rücken gestärkt. Auf die Frage in der Bundespressekonferenz am Mittwoch in Berlin, ob er noch zu Wieler stehe, antwortete Lauterbach: „Ob ich noch zu Wieler stehe? Sonst säße er hier nicht.“
Das RKI hatte kurz vor Beginn des Bund-Länder-Gipfels ein Strategiepapier veröffentlicht, in dem „maximale Kontaktbeschränkungen, maximale Maßnahmen zum Infektionsschutz, maximale Geschwindigkeit beim Impfen und das Verringern von Reisen auf das unbedingt Notwendige“ gefordert wurden. Der Gipfel beschloss jedoch die Maßnahmen, die bereits in der Beschlussvorlage vom Montag zu finden waren. Die RKI-Forderungen wurden von der Politik nicht umgesetzt.
Der Expertenrat der Bundesregierung hatte am Sonntag vor einer „explosionsartigen“ Verbreitung der Omikron-Variante gewarnt, aber nur vage „gut geplante und gut kommunizierte Kontaktbeschränkungen“ gefordert.
„In meinem Haus gibt es keine Zensur, was wissenschaftliche Arbeit angeht“, sagte Lauterbach am Mittwoch. „Hier war es so, dass sie mich nicht mehr erreicht haben vor der eigentlichen Sitzung. An der Kommunikation werden wir arbeiten.“ Er betonte: „Ich orientiere mich am wissenschaftlichen Stand, und da ist das RKI eine ganz wichtige Quelle.“
Lothar Wieler verteidigte seine Empfehlung harter Corona-Maßnahmen während der Pressekonferenz. Er sagte, dass er „keinerlei Widerspruch“ zu einer Vorlage des Expertenrats der Bundesregierung sehe, dem auch er selbst angehört. Dieses Gremium habe lediglich dazu aufgefordert, etwas zu tun, ohne genauer zu sagen, was. „Das RKI ist eben eine Institution, die das in konkrete Empfehlungen dann ummünzt.“
Wieler hatte zuvor erklärt, dass er in Kürze mit einer Verschärfung der Corona-Lage in Deutschland rechne. „In den vergangenen Tagen waren die Fallzahlen rückläufig, aber leider ist das kein Zeichen für eine Entspannung. Wir müssen die noch immer sehr hohen Fallzahlen herunterbekommen.“
Zudem komme eine Infektionswelle von noch nicht gesehener Dynamik, sodass dem Gesundheitssystem eine Überlastung drohe. In drei Wochen werde Omikron in Deutschland die dominierende Variante sein. „Das Weihnachtsfest darf nicht der Funke sein, der das Omikron-Feuer entfacht.“ Er richtete daher einen Appell an die Bevölkerung: „Ich bitte Sie eindringlich – verbringen Sie Weihnachten im kleinsten Kreis der Familie.“
Lauterbach rechnet „sicher“ mit fünfter Welle
Auch Lauterbach erklärte, dass eine erneute Welle von Corona-Infektionen durch die neue Omikron-Variante nicht mehr aufzuhalten sei. Zwar gelinge es gerade, die Welle mit der Delta-Mutation in den Griff zu bekommen. „Nichtsdestotrotz müssen wir mit einer fünften Welle jetzt sicher rechnen.“ Man müsse davon ausgehen, „dass sich die Omikron-Welle in Deutschland nicht mehr verhindern lässt“.
Der Gesundheitsminister sprach sich auch für eine Impfpflicht aus. „Ohne eine Impfpflicht kann ich eine dauerhafte Bewältigung immer wieder neu vorkommender Wellen nicht sehen“, sagte Lauterbach. Er würde einem Antrag auf Impfpflicht „sicherlich“ zustimmen oder vielleicht sogar an einem Antrag mitwirken. Er begrüße, dass sich der deutsche Ethikrat grundsätzlich für die Prüfung einer solchen Impfpflicht ausspreche und dieser offen gegenüber stehe.
Andreas Gassen, der Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung erklärte, dass die angepeilten 30 Millionen Booster-Impfungen bis zum Jahresende fast erreicht sind. Dieses Ziel hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im November ausgegeben. „Stand Dienstabend liegen wir bei 28,1 Millionen – es gibt also keine Zweifel mehr, dass das Impfziel realistisch und erreichbar ist“, sagte er. „Wir holen damit das Vereinte Königreich ein, das damit schon deutlich früher angefangen hat.“
Außerdem bestehe die Hoffnung, dass mit dem neu zugelassenen Impfstoff Novavax noch einige Ungeimpfte erreicht werden, „die wir bisher nicht erreicht haben“. Laut Lauterbach habe die Bundesregierung vier Millionen Dosen von Novavax bestellt, die in Kürze direkt aus der Produktion eintreffen würden.
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