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Jetzt ist die Ehe zu dritt in Deutschland legal: Rot-gelb-grüne Ampelmännchen und –weibchen planen den Gang zum Kanzleramt. Sandra Maischberger checkt die Heiratspapiere.
Die Gäste
► Herbert Reul (69, CDU). Der NRW-Innenminister hat gerade wieder einen Coup gelandet: Riesen-Razzia gegen terroristische Geldschleuser!
► Cem Özdemir (55, Grüne). Der Außenpolitiker wird als Verkehrsminister gehandelt und nennt das Tempolimit erfreut eine „low hanging fruit“.
► Karl Lauterbach (58, SPD). Der Gesundheitsexperte möchte gern Jens Spahn als Minister beerben.
► Andreas Gassen (59). Der Kassenärztechef fordert schon länger ein Ende aller Corona-Beschränkungen zum 30. Oktober.
► Florian Schroeder (42). Der ARD-Kabarettist twittert: „Wenn die Union nicht mehr regieren sollte, mache ich mir ernsthafte Sorgen um das Geschäftsmodell von BILD!“
► Katharina Hamberger (36). Die Journalistin („Deutschlandfunk“) sah vor allem Probleme zwischen FDP und CSU.
► Rainer Hank (68). Der Kolumnist (FAZ) zitierte vor kurzem, dass sich „ein Drittel der Bayern die Unabhängigkeit von der Bundesrepublik wünscht“. Luja, sag i!
Außer Reul nur Freudengeheul? Das Zoff-o-Meter rechnet trotzdem mit Zoff über zu viel Rot-Grün.
Zum Start ein verräterischer Versprecher
Özdemir prügelt erst mal auf die Verlierer ein: „Natürlich hat Laschet Fehler gemacht“, doziert er, „aber das Wahlergebnis, das war schon ein Gesamtkunstwerk der CDU/CSU. Ich glaube, das hat auch was damit zu tun, dass es nach 16 Jahren mal Zeit ist für einen Wandel.“
„Das wäre, wenn Frau Merkel von Herrn Laschet abgelöst würde, aus seiner Sicht Wandel genug“, witzelt die Talkmasterin.
„Ja, aber da gilt dasselbe wie vorhin“, beharrt der Grüne, „also Frau Laschet …“ Heiterkeit im Publikum! „Frau Laschet“, wiederholt der Grüne amüsiert und kriegt sich vor Lachen gar nicht mehr ein.
Emotionalster Kommentar
Reul, aus Düsseldorf zugeschaltet, hat die Hoffnung auf Jamaika längst noch nicht aufgegeben: „Wenn jemand mit Grünen und FDP ein gemeinsames Projekt für die Zukunft hinbekommen kann, dann ist das Armin Laschet“, sagt er klipp und klar.
Die einzig wirklich wichtige Frage sei, so der Minister: „Welche Konstellation, welche Inhalte sollen für vier Jahre in Deutschland bestimmend sein? Mich ärgert maßlos, dass wir darüber gar nicht reden.“
Giftigste Krokodilstränen
Özdemir hebt sich gern in staatsmännische Posen, landet dann aber immer schnell als zackiger Parteisoldat: „Das tut mir auch leid für die Führung der Union“, bedauert er die Indiskretionen bei den Sondierungsgesprächen und prügelt prompt noch schlimmer auf den Gegner ein.
Sein zentraler Vorwurf: mangelnde Verlässlichkeit. „Das muss ja schrecklich sein“, klagt er und fuchtelt mit beiden Händen. „Du kannst ja in kein Gremium bei der Union reingehen, ohne dass du es anschließend bei BILD quasi im Original nachlesen kannst.“ Ui!
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Schlaueste Doppelstrategie
Ein verlässliches Hintertürchen hält sich der Grüne allerdings offen: „Jetzt schauen wir erst mal, was die SPD uns bietet. Aber wenn das am Ende scheitert, weil die sich nicht bewegen, dann werden wir auch wieder mit den Kollegen der anderen Seite reden …“
Begründetste Vermutung
Die Talkmasterin will noch mal zu den Indiskretionen zurück: „Wer hat denn ein Interesse daran?“, hakt sie nach. „Ist das die CSU? Ist das Herr Spahn, der vielleicht Parteivorsitzender werden will?“
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„Es muss jemand sein, der seine Karrierepläne über die Idee stellt: Wie soll Deutschland vier Jahre regiert werden“, ärgert sich Reul. „Es können auch mehrere sein!“
Klügste Empfehlung
Özdemir lässt die Friedenspfeife qualmen: Er würde sich wünschen, „dass die Union bei ihrer Selbstfindung Kurs hält“, meint er milde. Denn bei vielen Themen werde man mit ihr zusammenarbeiten müssen, schon allein wegen ihrer Stärke im Bundesrat. Nachtigall …
Reuls Blick reicht erheblich weiter: „Ich glaube, wenn man in die Inhalte einsteigt, und wenn die Parteien auch darüber nachdenken, welche Idee von Staat und Gesellschaft sie für übermorgen haben, hat die andere Konstellation (Jamaika) sehr wohl eine Chance.“
„Das muss man jetzt einfach in Ruhe abwarten“, rät der Minister zum Schluss. Er sei jedenfalls Optimist. Dafür gibt’s Beifall.
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Kleinster gemeinsamer Nenner
„Wir brauchen etwas für vier Jahre, wo sich alle als Sieger sehen“, erklärt Özdemir und zählt auf: „Für uns ist die Ökologie sehr wichtig, gemeinsam mit der FDP die Modernisierung des Landes, für die SPD die soziale Gerechtigkeit.“
Seine Formel: „Wir entwickeln die soziale Marktwirtschaft weiter zu einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft, die auf die Digitalisierung setzt, das Land modernisiert.“ Jou!
Misslungenstes Dementi
Maischberger erinnert Özdemir an die gescheiterten Sondierungsgespräche von 2017: „Sie waren dabei, wir haben Sie auf dem Balkon gesehen.“
„Mich haben Sie wenig auf dem Balkon gesehen“, behauptet der Grüne mit erhobenem Zeigefinger, „weil ich meistens in den Pausen immer die Sachen gelesen habe, weil ich wahnsinnig nervös war, dass ich das gut mache.“
Doch die Talkmasterin zeigt trotzdem ein Foto, auf dem Özdemir auf dem Balkon ausgerechnet Laschet anstrahlt. Pech!
Vorsichtigste Prognose
Über die Koalitionsverhandlungen sagt der Grüne voraus: „Ich prophezeie mal, wir werden sogar vor Weihnachten schon wissen, wie es ausgeht.“
„2017 hieß es mal, Sie werden Außenminister“, erinnert Maischberger. „Sie haben sich vorgestellt, wie das wäre, der Antrittsbesuch in Ankara, bei Erdogan.“
„Ich fände es jetzt noch spannend“, gibt Özdemir zu. „Aber auch da gilt der Grundsatz: Wir vergeben keine Ministerposten. Jetzt müsse wir erst mal sondieren.“
Solidarischste Ergebenheitsadresse
Maischberger reibt dem Grünen schnell noch Salz in eine offene Wunde: „Zehn Köpfe hatte das Sondierungsteam, und Sie waren nicht dabei“, stellt sie fest. „Das verstehe ich nicht.“
„Sie verstehen es nicht“, antwortet der Grüne sichtlich sauer, „andere verstehen es vielleicht auch nicht.“
Aber, so Özdemir weiter: „Ich habe mir vorgenommen, als ich aus dem Bundesvorstand ausgeschieden bin, dass ich nicht zu denen gehören werde, die die Entscheidungen unseres Führungsteams kritisieren.“
Interessanteste Vermutung
FAZ-Hank hat zum Thema Indiskretionen einen ganz anderen Ansatz: „Wer hat ein Interesse daran, das jetzt aufzubauschen?“, fragt er in die Runde.
Seine überraschende Antwort: „Das ist eindeutig die FDP.“
Denn, so der Journalist: „Christian Lindner hat immer gesagt: Die größere Nähe ist zur CDU. Seit dem Wahltag aber fühlt er sich zur Ampel hingezogen. Er muss also begründen, warum er seinen Wunschpartner verlässt. Und da kommt ihm eine Durchstecherei sehr gelegen.“ Uff!
Peinlichste Notlüge
Lauterbach wird von Maischberger mit dem großen Gruppenfoto der neuen SPD-Fraktion begrüßt, denn der Gesundheitsexperte trägt darauf als einer von wenigen eine Maske. „Alle anderen haben sich gegen die Regelung des Bundestages verhalten“, kritisiert die Talkmasterin.
„Das Foto wurde schnell gemacht“, wiegelt Lauterbach ab. „Die Leute haben kurz die Maske abgezogen.“
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Eigentor! „Das stimmt nicht!“, widerspricht Maischberger und zeigt die Szene genüsslich als Bewegtbild: „Es wurde lange geklatscht“, kommentiert sie. „Dann kam noch mal der Fraktionsvorsitzende. Jetzt noch Olaf Scholz. Es gab La-Ola-Wellen. Das ist ein Superspreader-Event!“
„Das wäre es, wenn dort gesungen oder laut gesprochen würde…“ wehrt sich der gestrenge Gesundheitspolitiker.
Doch die Talkmasterin lässt ihn nicht vom Kanthaken: „Soll ich Ihnen den Ton noch mal vorspielen?“
Da ist Lauterbach endgültig bedient: „Nein“, antwortet er verdrossen. „Danke schön!“
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Alarmierendste Prognose
Für Herbst/Winter sagt der Gesundheitspolitiker voraus: „Wir werden noch eine vierte Welle bekommen, die nicht ohne ist. Wir haben einfach nicht die Impfquote erreicht, um da sicher durchzusegeln.“
Lauterbachs Befürchtung: „Wir werden bei den Älteren, aber auch in den mittleren Lebensphasen schwere Verläufe sehen. Das lässt sich nicht abwenden durch die Impfquote wie wir sie haben. Wir bräuchten zehn Prozent mehr!“
Umstrittenste Forderung
Gassen wünscht sich trotzdem einen „Freedom Day“ wie in England, an dem alle Maßnahmen aufgehoben werden. Denn, so der Kassenärztechef: „Das kann ja nicht ewig so weitergehen.“
Ziel sei, jetzt einen Vorlauf zu schaffen für alle, die sich doch noch impfen lassen wollen. Wer das nicht wolle, müsse nicht. Aber, so Gassen: „Es kann nicht sein, dass wir dann immer noch verbindlich für den Rest der Bevölkerung einen Maßnahmenkatalog ausrollen, der für alle gilt.“
Prompt springt das Zoff-o-Meter an.
„Falsch und viel zu riskant“, wettert Lauterbach. „Wir hätten in kurzer Zeit sehr hohe Fallzahlen. Der Druck, wenn ihr euch nicht impfen lasst, seid ihr vogelfrei, wird zu Trotzreaktionen führen.“
Gassens Gegenargument: „Dänemark hat die Lockerungen beschlossen, da waren die bei 75 Prozent.“
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Gretchenfrage des Abends
Am Ende kriegt auch Lauterbach die Frage nach einem Kabinettsposten serviert: „Gesundheitsminister“, vermutet Maischberger wenig überraschend. „Reden Sie mit Olaf Scholz schon darüber?“
„Wenn es so wäre, würde ich es nicht ausplaudern“, antwortet der Politiker. Aber: „Dass ich in diesem Bereich schon lange arbeite, ist bekannt. Wenn also jemand gesucht würde, der ein bisschen Erfahrung hat, würde ich wahrscheinlich darüber nachdenken. Ich bin aber sicher, dass die Ampel klappen wird.“ Heidewitzka!
Zitat des Abends
Florian Schröder:
„Die finale Sozialdemokratisierung der Union besteht darin, dass sie jetzt ähnlich viele Flügel hat wie einst die SPD.“
Fazit
Herzhaftes Nachwahlkampf-Geholze, gestresster Zweckoptimismus und dazu das übliche Gedruckse bei Karrierefragen. Der Verlierer machte eine bessere Figur als der Sieger, und für die Drei von der Pressetheke galt: Manche segelten stark, mancher strampelte im Quark. Das war ein Talk der Kategorie „Ampelmännchen und Hampelmännchen“.
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