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Stand: 29.09.2021 07:42 Uhr
Grüne und Liberale machen bei den Koalitionsgesprächen Tempo: Vertreter beider Parteien haben sich bereits zu ersten Vorsondierungen getroffen. Führende FDP-Politiker machen klar, dass Schwarz-Grün-Gelb für sie noch nicht vom Tisch ist – trotz Werben der SPD.
Die Parteispitzen von Grünen und FDP haben Gespräche über eine gemeinsame Regierungsbildung begonnen. An einem ersten Treffen für sogenannte Vorsondierungen waren am Dienstag für die FDP Parteichef Christian Lindner und FDP-Generalsekretär Volker Wissing beteiligt, für die Grünen die beiden Vorsitzenden Robert Habeck und Annalena Baerbock.
Ein Foto, das auf den Instagram-Accounts aller vier Teilnehmer gepostet wurde, zeigte die Politiker bei dem Treffen. „Auf der Suche nach einer neuen Regierung loten wir Gemeinsamkeiten und Brücken über Trennendes aus. Und finden sogar welche. Spannende Zeiten“, hieß es übereinstimmend auf den Accounts. Erklärtes Ziel beider Parteien ist die Einigung auf Grundlinien einer politischen Zusammenarbeit, die als Voraussetzung für einen „Neustart“ der Regierungspolitik in Deutschland dienen soll. Erst später wollen FDP und Grüne mit der Partei eines möglichen Kanzlers sprechen, also mit SPD oder Union.
Scholz wirbt für Ampel
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hatte zuvor eindringlich für eine Ampelkoalition geworben. „Da passt was zusammen, wenn man das zusammenbringen will“, sagte Scholz beim Spätsommerfest der Parlamentarischen Linken in der SPD-Fraktion in Berlin. „Es kann eine Regierung sein, wo drei Parteien zusammenkommen, die unterschiedliche, aber mit Überschneidungen versehene Fortschrittsideen haben.“
Die SPD sei immer eine Partei gewesen, die die politische Durchsetzung von Recht, Freiheit und besserem Leben als möglich angesehen habe. Die Grünen sähen, wie die SPD, das Aufhalten des menschengemachten Klimawandels und die ökologischen Fragen drumherum als zentral an, seien aber „natürlich noch mehr darauf konzentriert“, sagte Scholz.
Laut einer repräsentativen Studie von infratest dimap für den ARD-DeutschlandTrend bevorzugt eine Mehrheit von 55 Prozent der Bürger eine SPD-geführte Koalition mit den Grünen und der FDP. Nur 33 Prozent sprachen sich in der Umfrage für eine Koalition von CDU/CSU, Grünen und FDP aus. Allerdings favorisieren die Anhänger der FDP mehrheitlich ein Jamaika-Bündnis mit der Union (51 Prozent) statt einer Ampel-Koalition (41 Prozent).
Für FDP liegt schwarz-grün-gelbes Bündnis näher
Auch in der Partei gibt es weiter Stimmen für ein Bündnis unter der Beteiligung der Union. So hält FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff eine schwarz-grün-gelbe Koalition weiterhin für möglich. „FDP und Grüne sprechen jetzt miteinander, um zwischen beiden Parteien Brücken zu bauen“, sagte Lambsdorff der „Augsburger Allgemeinen“. Anschließend würden Gespräche mit SPD und Union geführt. „Ob am Ende eine Jamaika-Koalition herauskommt, wie in Schleswig-Holstein, oder beispielsweise eine Ampel, wie in Rheinland-Pfalz, ist offen.“ Programmatisch gebe es bei der FDP eine größere Nähe zur Union, betonte Lambsdorff. „Aber wir gehen offen in die Gespräche mit allen anderen Parteien“, fügte er hinzu.
Auch für FDP-Bundestagsfraktionsvize Michael Theurer ist eine Jamaika-Koalition „noch nicht vom Tisch“. Parteichef Lindner habe zuletzt deutlich gemacht, dass die Liberalen eine Präferenz für ein solches Bündnis haben, sagt Theurer im Deutschlandfunk.
Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Marco Buschmann, hatte zuvor die Union dazu aufgerufen, ihre Bereitschaft zu möglichen Koalitionsgesprächen rasch zu klären. Bis Ende der Woche sollten alle Parteien „sprechfähig“ sein, sagte er im Deutschlandfunk. „Es liegen jetzt Jamaika und die Ampel auf dem Tisch.“ Aus der Union kämen unterschiedliche Signale. Die einen wollten regieren, die anderen nicht. Dies müsse die Union jetzt klären.
Habeck nennt Vizekanzler-Frage „irrelevant“
Für Aufsehen sorgten unterdessen Medienberichte, wonach sich die Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck bereits geeinigt haben sollen, wer von ihnen den Vizekanzlerposten in einer möglichen Regierungskoalition übernehmen würde. Den Berichten zufolge will Baerbock, die sich zuvor zu eigenen Fehlern im Wahlkampf bekannt hatte, Habeck den Vortritt lassen.
Habeck stellte nun klar, dass die Grünen bei einer Regierungsbeteiligung erst nach Koalitionsverhandlungen über ihre personelle Aufstellung entscheiden wollen. Vor der Fraktionssitzung sagte er, dass „selbstverständlich am Ende eines solchen Prozesses über Inhalt und Personal – das gesamte Tableau – die Partei über einen Parteitag oder eine Mitgliederbefragung“ entscheiden werde. Zum jetzigen Zeitpunkt sei die Frage, wer von den Grünen den Vizekanzlerposten übernehmen werde, „völlig irrelevant“. „Wir haben ja nicht mal einen Kanzler.“
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