Der Himmel über dem Schalker Stadion hat sich schon früh morgens zugezogen. Die Fahnen wehen im Wind, dicke Wolken hängen über der Arena und Regen prasselt auf den Ort, an dem die Schalker Verantwortlichen zu einer Pressekonferenz eingeladen hatten. Ein trostloses Bild, was die aktuelle Stimmung rund um das königsblaue Vereinsgelände ganz gut widerspiegelt. Der FC Schalke 04 steckt mitten in einer der schwersten Krisen seiner langen Vereinsgeschichte – auf und auch neben dem Platz. 

Nach dem Ende einer enttäuschend verlaufenen Saison und dem Rücktritt des Aufsichtsratssvorsitzenden Clemens Tönnies am Dienstag liegt der Verein am Boden. Kann er sich aufrappeln zu einem echten Neuanfang? „Der heutige Tag ist eine Zäsur für Schalke. Ein ‚Weiter so‘ wird und kann es nicht geben“, sagt Marketingvorstand Alexander Jobst zu Beginn des Mediengesprächs. „In den vergangenen Monaten hat Schalke ein miserables Bild in der Öffentlichkeit abgegeben, Wir haben Fehler gemacht, für die wir uns entschuldigen möchten.“ Ein überfälliges Eingeständnis, auf das viele Fans gewartet haben. 

„Tönnies vertritt die Schalker Werte nicht“

Pressekonferenz des FC Schalke 04 (Imago Images/RHR-Foto)

S04-Marketing-Vorstand Alexander Jobst, Cheftrainer David Wagner und Sportvorstand Jochen Schneider (l.-r.)

Jobst meint die geforderten Härtefallanträge bei Ticketrückerstattungen oder die Entlassungen mehrerer Mini-Jobber. Dies alles hat kein gutes Bild auf den kriselnden Verein geworfen. „Die Verantwortung tragen wir, der hier sitzende Vorstand. Diese Fehler dürfen nicht mehr passieren. Wir haben viel Vertrauen verspielt“, sagt Jobst. Dazu haben der Rassismus-Eklat um Tönnies im vergangenen Jahr und die aktuellen Corona-Fälle in seiner Fleischverarbeitungsfirma das Fass zum überlaufen gebracht.

„Clemens Tönnies vertritt die Schalker Werte nicht, er hat mit dem Leitbild unseres Vereins nichts zu tun“, war zu lesen bei der Demonstration am vergangenen Samstag, bei der rund 1250 Schalker Fans eine Menschenkette rund um das Vereinsgelände gebildet hatten. Eine Meinung, der sich viele anschließen konnten. Es war auch ein Aufbegehren gegen Tönnies, den empfundenen Alleinherrscher, von dem Schalke abhängig wurde. Nach seinem Rücktritt steht Schalke nun vor einem Neuanfang. Nach 19 Jahren beginnt eine neue Zeitrechnung bei den Königsblauen.

Schalker Verantwortlichen verzocken sich

Der Start ins neue Zeitalter dürfte jedoch schwerer werden als es vielen lieb ist. Millionenschwere Verbindlichkeiten, mit denen der Klub schon vor der Coronakrise zu kämpfen hatte, machen aus der Zukunftsplanung eine Mammutaufgabe. Diese „angespannte Situation“, wie Jobst sie beschreibt, habe begangene Fehler aus der Vergangenheit noch einmal glasklar aufgezeigt. „Schalke hat sehr stark in die Zukunft investiert – mit der Prämisse, dass sich der sportliche Erfolg einstellt. Aber wir haben drei Mal in den letzten vier Jahren Europa verpasst. Deswegen können wir jetzt nicht mehr so investieren wie früher. Bei der Wette in die Zukunft haben wir oft die Wette verloren“, so Jobst, dem die Äußerungen sichtlich schwer vielen.

FC Schalke I Verein I Protest (picture-alliance/R. Brendel)

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Und doch waren die ersten Minuten der Pressekonferenz von beeindruckender Offenheit der Verantwortlichen geprägt. Jobst und Sportvorstand Jochen Schneider gestanden Fehler ein, zeigten Demut und gelobten Besserung. „Wir möchten mit wirtschaftlicher Vernunft und Transparenz Vertrauen bei unseren Mitgliedern zurückgewinnen. Wir werden viel mit den Fanklubs sprechen. Wir wollen Schalke mittel- und langfristig wieder dahin zu führen, wo der Klub hingehört“, sagte Jobst. Und meint damit: nach oben.

Ausgliederung erstmal vom Tisch

Wirklich transparent oder konkret wurde es allerdings nicht, als um Fragen zur Zukunft ging. Die Verantwortlichen wichen mehr oder weniger geschickt den Fragen der Journalisten aus, wie zum Beispiel der nach der viel diskutierten Gehaltsobergrenze. „Ein Kaufmann muss darauf achten, Einkauf und Ertrag in Einklang zu bringen“, erklärte Schneider. „Das haben wir zuletzt nicht geschafft.“ Der 49-Jährige verwies auf Kostensenkungsprogramme, das geringere Lizenzspielerbudget und den Stopp aller Vertragsgespräche. Wo jedoch konkret gespart werden soll, blieb weiter offen. Genauso wie die Frage nach einer möglichen Bürgschaft des Landes Nordrhein-Westfalen. Jobst verwies in diesem Zusammenhang auf die „Geheimhaltungspflicht“.

Um weiteres Geld zu generieren wurde in den vergangenen Wochen auch immer wieder über eine mögliche Profi-Ausgliederung, die besonders von Tönnies und seinen Leuten vorangetrieben wurde, diskutiert. Für Jobst ist das – auch nach dem Aus von Tönnies – zunächst aber kein Thema mehr. „Wir haben die große Aufgabe, den Verein zu stabilisieren. Danach ist es unsere Verantwortung, die Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen“, so Jobst. „Wenn wir das Thema Ausgliederung für sinnhaft erachten, dann werden wir das mit der nötigen Transparenz auch diskutieren. Aber das ist keine Thematik von heute oder den nächsten Monaten.“

Wagner: „Nicht mehr das Schalke wie vor zehn Jahren“

DFB Pokal | Schalke 04 vs FC Bayern München | David Wagner (AFP/S. Schürmann)

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In der zweiten Halbzeit des Mediengesprächs durfte dann Trainer David Wagner, dem vom Vorstand zuvor das Vertrauen ausgesprochen wurde, noch seine Analyse zur enttäuschenden Saison kundtun. Schalke hatte die Spielzeit auf dem 12. Platz beendet und erneut die Teilnahme am internationalen Geschäft klar verpasst. Neben zahlreichen Verletzungen und Problemen auf der Torwartposition gestand der Wagner aber auch eigene Fehler ein. Mit zuletzt 16 Partien ohne Sieg hatten die Schalker Profis sogar einen Negativ-Rekord aufgestellt. „Wir sind nicht mehr das FC Schalke 04 wie vor zehn Jahren“, erklärte Wagner. „Wir müssen mit einem kleinen Geldbeutel gute Transferentscheidungen treffen, damit wir wieder den Fußball spielen wie wir uns ihn vorstellen.“

Fans und Verantwortliche müssen sich wohl damit anfreunden, dass die Königsblauen in den kommenden Jahren keine gewichtige Rolle mehr in der Bundesligaspitze spielen werden. „Wir sind keine Träumer, wir haben natürlich Fehler gemacht. Wir müssen einen Schritt zurückgehen, um danach wieder zu wachsen“, gab Sportvorstand Schneider zu. Der „Arbeiter- und Malocher-Klub“ aus dem Ruhrgebiet wird sich in den kommenden Jahren auf seine Grundtugenden besinnen müssen. Denn ohne harte Arbeit wird der Klub nicht mehr auf die Beine kommen. Dieser Tag der Zäsur war ein erster Schritt, jetzt müssen die Verantwortlichen – wie angekündigt – den Worten auch Taten folgen lassen.

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