„Es ist unbegreiflich, dass heute noch Hunderttausende von Kindern beispielsweise auf den Kaffee- und Kakaoplantagen Westafrikas für unseren Wohlstand in Europa schuften, ohne von der Arbeit angemessen leben zu können.“ Das erklärt Bundesentwicklungshilfeminister Gerd Müller (Artikelbild) in seinem neuen Buch „Umdenken. Überlebensfragen der Menschheit“. Der CSU-Politiker verweist auf eine Untersuchung der Regensburger Universität und sagt: „Es sind 50 Sklaven pro Kopf, die für unseren Wohlstand arbeiten.“
Müller fordert Steuerfreiheit für Fairtrade-Produkte
Der Minister kritisiert, dass bei herkömmlichem Kaffee, der in Deutschland verkauft werde, nur etwa fünf bis acht Prozent des Endpreises beim Bauern vor Ort ankämen. „Wir zahlen acht oder zehn Euro für das Kilo Kaffee in Berlin oder München, davon bleiben nur etwa 50 Cent für das Rohprodukt vor Ort für die Familien auf den Plantagen. Die Kinder müssen mitarbeiten, damit überhaupt ein existenzsicherndes Einkommen für die Familien erzielt werden kann.“
Dazu trage auch die Kaffeesteuer in Deutschland bei: „Heute nimmt der Finanzminister mehr als eine Milliarde Euro aus der Kaffeesteuer ein.“ Als Sofortmaßnahme müsse die Kaffeesteuer für jene Sorten wegfallen, die fair gehandelt seien, fordert Müller.
Auch Verbraucher sollten Verantwortung übernehmen: „Wer zum Beispiel Bananen für unter einem Euro das Kilo kauft, nimmt Kinderarbeit auf den Plantagen in Kauf. Fragen Sie nach, greifen Sie nach zertifizierter Ware.“ Die öffentliche Hand müsse dabei vorangehen und „ihre enorme Marktmacht nutzen, um fairen Einkauf zur Grundlage öffentlicher Beschaffung zu machen: in den Kommunen, Krankenhäusern, Schulen bis hin zu den Ministerien“.
„Die Probleme werden zu uns kommen“
Ein Lieferkettengesetz in Deutschland und in Europa müsse den verbindlichen Standard für alle festlegen, so der Minister weiter. Kaffee, Kakao und andere Produkte, die ihren Ursprung in den Entwicklungsländern haben, sollten nur dann auf unseren Märkten verkauft werden dürfen, wenn soziale Mindeststandards bei der Entlohnung beachtet wurden. Müller warnt: Ein „Weiter so“ wie bisher sei angesichts des Bevölkerungswachstums in den Entwicklungs- und Schwellenländern nicht mehr möglich. „Tragen wir nicht zur Problemlösung in anderen Regionen der Welt bei, werden die Probleme zu uns kommen“, betont er.
Der Bauernsohn kennt keinen „Stress“
Müller schreibt auch über seine eigene Kindheit im bayerisch-schwäbischen Krumbach: „Ich stamme aus einer Bauernfamilie in Schwaben. Dort bin ich mit drei Geschwistern aufgewachsen. Im Sommer haben alle bei der Landarbeit mitgeholfen, auch bei den Nachbarn, wenn es notwendig war.“ Aus Respekt vor dem Arbeitspensum, das sein Vater und seine Mutter auf dem Hof bewältigt hätten, vermeide er bis heute das Wort Stress.
Der Minister will seit Monaten Eckpunkte für ein Lieferkettengesetz im Kabinett einbringen, das deutsche Unternehmen in die Pflicht nimmt, wenn sie Ausbeutung von Partnern in anderen Ländern zulassen. Doch bislang ist ihm das noch nicht gelungen.
nob/wa (epd)
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