Beinahe zehn Jahre nach dem Ausbruch der Staatsschuldenkrise in Griechenland, die in den Folgejahren auf andere Länder der Euro-Zone übergegriffen hat, haben die betroffenen Volkswirtschaften sich deutlich von der Krise erholt. Das ist das Ergebnis einer Analyse des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW). Die bisher unveröffentlichte Untersuchung liegt WELT vor.

Die südeuropäischen Volkswirtschaften sind in den vergangenen Jahren kräftig gewachsen. Das gilt vor allem für Spanien: Zwischen 2015 und 2018 stieg das Bruttoinlandsprodukt dort jedes Jahr im Schnitt um 2,9 Prozent. In Portugal war das Wirtschaftswachstum zwar ähnlich hoch, dort begann die wirtschaftliche Erholung aber später, sodass die portugiesische Wirtschaftsleistung nach den Berechnungen des IW im gleichen Zeitraum um durchschnittlich 2,7 Prozent pro Jahr zugelegt hat.

Quelle: Infografik WELT

Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht davon aus, dass beide Volkswirtschaften in diesem Jahr auf Wachstumskurs bleiben. Sie sollen trotz der schwächelnden Weltwirtschaft um zwei Prozent zulegen und damit deutlich stärker wachsen als Deutschland und Frankreich.

„Spanien und Portugal sind so lange so kräftig gewachsen, dass man mit aller gebotenen Vorsicht sagen kann, dass beide Länder weitgehend aus dem Schneider sind“, sagt Jürgen Matthes, Leiter des Bereichs Internationale Wirtschaft beim IW. Trotzdem blieben neuralgische Punkte, etwa die zwar stark gesunkene, aber immer noch hohe Staatsverschuldung in Portugal.

Einige Länder haben sich beeindruckend entwickelt

Jüngst äußerste sich auch der Internationale Währungsfonds IWF in einem Bericht zu Griechenland überraschend positiv: Das Land befinde sich auf dem richtigen Weg, schrieben die Ökonomen aus Washington.

Tatsächlich haben einige Länder, die in der Euro-Schuldenkrise ins Schleudern geraten waren, eine beeindruckende Entwicklung hinter sich: Irland, wo nach dem Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise eine platzende Immobilienblase für schwere Verwerfungen sorgte, hat seine Staatsschulden in den vergangenen Jahren so stark abgebaut, dass sie nur noch 63,6 Prozent der Wirtschaftsleistung entsprechen.

Auch die Staatsschuldenquote von Spanien und Portugal ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken, auch wenn sie mit knapp 98 Prozent und gut 122 Prozent immer noch Werte erreicht, die als nicht nachhaltig solide gelten. In Griechenland und Zypern hingegen ist die Schuldenquote trotz kräftigen Wirtschaftswachstums in beiden Volkswirtschaften im vergangenen Jahr sogar gestiegen. Die Europäische Kommission erwartet aber, dass die griechische Staatsschuld bis 2021 um fast 20 Prozentpunkte sinken wird.

Das robuste Wachstum beflügelt auch die Arbeitsmärkte der ehemaligen Krisenländer. Auf dem Höhepunkt der Krise war in Griechenland und Spanien mehr als jeder vierte Erwerbsfähige ohne Arbeit. Seitdem geht die Erwerbslosigkeit kontinuierlich und kräftig zurück. In Portugal sank die Arbeitslosigkeit von über 16 Prozent im Jahr 2013 auf nur noch schätzungsweise rund sechs Prozent in diesem Jahr und damit um fast zwei Drittel.

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In Spanien hat sich die Arbeitslosenquote von gut 26 Prozent im Jahr 2013 auf voraussichtlich knapp 14 Prozent in diesem Jahr sogar fast halbiert. In Griechenland lag die Arbeitslosenquote auf dem Höhepunkt der Krise bei 27,5 Prozent. Seitdem ist sie nach den Berechnungen des IW um immerhin 40 Prozent auf knapp 18 Prozent gesunken.

Bemerkenswert sind auch die Exporterfolge der Krisenländer. Ähnlich wie im deutschen Super-Aufschwung der vergangenen zehn Jahre, haben die Geschäfte mit dem Ausland in den betroffenen Ländern den Aufschwung entfacht und in Fahrt gebracht. Griechische und portugiesische Unternehmen haben laut den IW-Berechnungen im vergangenen Jahr beinahe 50 Prozent mehr ins Ausland verkauft als noch 2012 – und zwar inflationsbereinigt, sodass nicht steigende Preise für das Plus verantwortlich waren, sondern tatsächlich mehr Verkäufe. Die deutschen Exporte wuchsen im gleichen Zeitraum nur halb so stark.

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Weniger rosig ist die Situation derweil in Italien. Der IWF beispielsweise erwartet, dass die Wirtschaft des Landes in diesem Jahr allenfalls stagnieren wird. Auch in den vergangenen Jahren war die Entwicklung enttäuschend: Die italienische Wirtschaftsleistung ist zwischen 2015 und 2018 gerade einmal um 1,2 Prozent gewachsen.

„Italien zahlt aktuell den Preis für die wachstumsfeindliche und verunsichernde Politik der im Spätsommer 2019 gescheiterten populistischen Regierung“, sagt IW-Experte Matthes. Tatsächlich war die Wirtschaft 2017 noch kräftig um 1,7 Prozent gewachsen, im darauffolgenden Jahr, in dem die Koalitionsregierung aus linkspopulistischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechtsnationaler Lega ihre Arbeit aufgenommen hat, brach sie allerdings ein.

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Italien war von der europäischen Staatsschuldenkrise weniger stark betroffen als andere südeuropäische Länder. Rom musste nie ein Hilfspaket in Anspruch nehmen, stand aber auf dem Höhepunkt der Staatsschuldenkrise kurz davor, das Vertrauen der Märkte zu verlieren. „Nur die ultralockere Politik der EZB hat in Italien Schlimmeres verhindert“, sagt IW-Experte Matthes.

Im Moment liegt der italienische Haushaltsplan für das kommende Jahr zur Überprüfung bei der Europäischen Kommission. Sie wird am Mittwoch ihre Beurteilung der Budgetpläne veröffentlichen. Beobachter gehen davon aus, dass Brüssel die Haushaltsregeln in diesem Fall flexibler auslegen wird, um der neuen, europafreundlichen Regierung in Italien entgegenzukommen.

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