Ein Blick in die Historie offenbart die ganze Tragweite der Laufbahn. Als Claudio Pizarro, 41, erstmals in der Bundesliga aufläuft, feiert die Quizsendung „Wer wird Millionär“ ihre Premiere, wird Johannes Rau zum Bundespräsidenten gewählt und ist in Deutschland noch die D-Mark gängiges Zahlungsmittel. 21 Jahre lang hat der Stürmer das sportliche Geschehen in seiner Wahlheimat maßgebend beeinflusst, und wenn er am Montagabend letztmals zum Dienst erscheint, geht eine bemerkenswerte Karriere zu Ende.

In den zurückliegenden Wochen ist der einstige Weltklassespieler genügsam geworden – zwangsläufig. Das 0:0 im Relegationshinspiel seines SV Werder Bremen gegen den 1. FC Heidenheim verfolgte er am Donnerstagabend ohne Einsatzzeit. In der gesamten Rückrunde kommt er auf gerade einmal 43 Spielminuten.

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Allerdings muss der Peruaner niemandem mehr etwas beweisen. Der Rekordtorschütze der Hanseaten (109 Treffer) ist der am häufigsten eingesetzte ausländische Spieler der Bundesliga (490 Partien), mit 40 Jahren und 227 Tagen der älteste Torschütze und der erste Profi in der langen Geschichte der Fußball-Eliteklasse, der in 21 Kalenderjahren in Folge mindestens einen Treffer erzielt hat.

„Er hat vielen Menschen viel Freude gemacht“

Insofern würde es passen, wenn Pizarro diesen beeindruckenden Zahlen im entscheidenden Spiel um den Verbleib in der Bundesliga auf der Ostalb eine letzte Heldentat hinzufügt.

Einen würdigen Abschluss würde ihm auch Florian Kohfeldt nur allzu gern gönnen. Auf die Frage, wo er denn gewesen sei, als Pizarro angefangen habe, für Werder zu spielen, hat er einmal schlagfertig geantwortet: „In der elften Klasse.“

ARCHIV - 01.09.2019, Bremen: Fußball, Bundesliga, Werder Bremen - FC Augsburg, 3. Spieltag: Werder Trainer Florian Kohfeldt umarmt nach Spielende Claudio Pizarro. (zu dpa "Kohfeldt tangieren Gerüchten nicht - Pizarro wieder Kaderkandidat") Foto: Carmen Jaspersen/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Der Trainer und sein Joker: Florian Kohfeldt (r.) umarmt Claudio Pizarro
Quelle: dpa

Nun leitet er den Altstar als Trainer an. Und hat nach wie vor eine hohe Wertschätzung für den 85-maligen Nationalspieler Perus: „Er hat so vielen Menschen unvorstellbar viel Freude gemacht“, sagt der 37-Jährige über Pizarro, 41. „Claudio wird im Herzen der Werder-Fans auf ewig seinen Platz haben.“

„Pizarro, oh, oh“

Den hat sich der Mittelstürmer hart erarbeitet. Der Sohn eines Seemannes kommt 1999 als völlig unbekannter Angreifer auf Empfehlung des Werder-Vorstandsbosses Jürgen L. Born vom peruanischen Klub Alianza Lima nach Bremen. Gleich in seinem ersten Heimspiel am 12. September gegen den 1. FC Kaiserslautern gelingt dem drei Millionen Mark teuren Zugang ein Tor, erstmals werden im Weser-Stadion die „Pizarro, oh, oh“- Rufe angestimmt. Sie haben sich bis heute gehalten, obwohl der Hochbegabte dem Klub in unschöner Regelmäßigkeit den Rücken kehrt.

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Mal ist der FC Bayern das neue Ziel, mal der FC Chelsea, mal der 1. FC Köln. Aber stets feiert er ein umjubeltes Comeback bei seinem Herzensverein. Auch das lässt ihn zur Legende werden. „Es gab in der 120-jährigen Geschichte Werder Bremens nie einen so wichtigen Spieler wie Claudio Pizarro“, sagt Entdecker Born über den Angreifer – während Pizarro selbst zu einer leicht anderen Einschätzung kommt: „Ich war immer ein Schlawiner. Aber ich habe gelernt. Ich weiß genau, wann ich was machen muss.“

Stürmer mit Charme: Claudio Pizarro
Stürmer mit Charme: Pizarro
Quelle: Bongarts/ Getty Images

Nun steht das letzte Spiel bevor. Ohne Fans. In einem fremden Stadion. Ein leiser Schlussakkord. Ob der Trainer seinen Stürmer noch mal ranlässt? „Es ist Halbzeit, es steht 0:0“, meint Kohfeldt zur Ausgangslage vor dem Showdown in der Relegation (Montag, 20.30 Uhr, DAZN/Amazon Prime). „Wir müssen uns unglaublich steigern und zusehen, dass wir in Heidenheim ein Tor schießen. Dann sieht die Situation für uns anders aus.“

Einer wie Pizarro könnte bei dem hehren Unterfangen helfen. Ehe er geht. Wieder einmal. Diesmal als Markenbotschafter zum FC Bayern.

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