Inhaltsverzeichnis
Bundestagswahlkampf „Ich trete an für Erneuerung“: Annalena Baerbock soll Kanzlerkandidatur der Grünen übernehmen
Die monatelangen Spekulationen haben ein Ende. Die Grünen-Führung hat sich entschieden, wer im Falle eines Wahlsiegs ins Kanzleramt einziehen soll: Annalena Baerbock. Sie kündigt an, das Land grundlegend erneuern zu wollen.
Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock soll ihre Partei als Kanzlerkandidatin in die Bundestagswahl führen. Der Bundesvorstand der Grünen nominierte die 40-Jährige am Montag für den Spitzenposten. „Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass dieses Land einen Neuanfang braucht“, sagte sie anschließend. Sie wolle eine Politik anbieten, die vorausschaue. Die Entscheidung muss noch auf einem Parteitag vom 11. bis 13. Juni bestätigt werden. Die Zustimmung gilt als sicher. Die Bundestagswahl findet am 26. September statt.
„Heute beginnt ein neues Kapitel für unsere Partei – und wenn wir es gut machen, für das ganze Land“, so Baerbock. Sie wolle mit ihrer Kandidatur ein „Angebot für das ganze Land, die gesamte Gesellschaft“ machen. Es seien Veränderungen nötig. „Ich trete an für Erneuerung, für den Status quo stehen andere“, sagte sie. Was alles nicht ginge, habe man in den vergangenen Jahren genug gehört. Jetzt zähle, was geht und möglich ist. „Verändern statt versprechen: Jetzt ist die Zeit, in diesem Sinne eine gute Regierung anzuführen.“
In ihrer Rede als designierte Kanzlerkandidatin nannte Baerbock zentrale Themen, für die sie sich einsetzen wolle: für ein „gerechtes Land“, in denen Kitas und Schulen „wirklich die schönsten Orte“ seien, für Pflegekräfte, die „Zeit und Ressourcen“ haben aber auch für eine „wehrhafte Demokratie“ und einen „Staat, der digital funktioniert und Bürgerinnen und Bürgern dient.“ Darüber hinaus solle der Klimaschutz als Fundament den Wohlstand sichern. „Klimaschutz ist die Aufgabe unserer Zeit, die Aufgabe meiner Generation“, so Baerbock.
Co-Parteichef Robert Habeck hat für Baerbock als Kanzlerkandidatin seiner Partei geworben. Er beschrieb sie als „kämpferische, fokussierte, willensstarke Frau“, die genau wisse, was sie wolle. Habeck sagte, er selbst und Baerbock hätten in den vergangenen Wochen vertraute, manchmal auch schwierige Gespräche darüber geführt, wer von beiden die Kandidatur übernehmen solle. „Wir beide wollten es, aber am Ende kann es nur eine machen“, sagte er. Er selbst wolle sich aber gleichfalls in den Wahlkampf werfen. Die Gemeinsamkeit habe die Grünen so erfolgreich gemacht. „In dieser Situation führt der gemeinsame Erfolg dazu, dass einer einen Schritt zurücktreten muss.“
Entscheidung in K-Frage vor Ostern getroffen – „werden Wahlkampf gemeinsam anführen“
„Wir werden den Wahlkampf gemeinsam anführen“, bekräftigte auch Baerbock in einer Pressekonferenz nach ihrer Rede zur Kandidatur. „Wir werden beide, wenn es Corona zulässt, im Land unterwegs sein.“ Das habe die Grünen in den vergangenen Jahren stark gemacht. Gemeinsam trete man an, um Deutschland „an führender Stelle“ zu regieren, sowohl inhaltlich als auch personell.
Eine Präferenz bei möglichen Regierungsbündnissen ließ Baerbock offen. „Wir definieren uns nicht entlang anderer“, sagte sie. „Wir möchten am liebsten diese Regierung anführen. Aber da Politik kein Wunschkonzert ist, werden die Wählerinnen und Wähler entscheiden, wer am stärksten aus der Bundestagswahl hervorgehen.“ Anschließend würde man, wie es üblich sei, in Koalitionsverhandlungen gehen.
Die Union sei „bisher blank“, da sie noch kein Wahlprogramm vorgelegt habe – daher gebe es an dieser Stelle noch nicht viel zu diskutieren. Bei der SPD stellte Baerbock „Schnittmengen“ beim Thema soziale Gerechtigkeit fest. Allerdings bringe es nichts zu spekulieren, „was wäre, wenn“.
Die Entscheidung, dass Baerbock die Kanzlerkandidatur übernehmen soll, hätten die beiden Parteivorsitzenden vor Ostern gemeinsam getroffen. Auf mögliche Skepsis ihrer politischen Gegner, ihr könnte Erfahrung in einem Regierungsamt fehlen, entgegnete Baerbock, dass sie große Demut und Respekt vor dem Amt habe. „Aber wenn Regierungserfahrung das einzige Kriterium wäre, könnten wir mit der Großen Koalition weitermachen. Ich bin davon überzeugt, dass wir einen Neuanfang brauchen und Neues wagen müssen.“ Dafür bringe sie einen „klaren Kompass und Lernfähigkeit“ mit.
Endgültige Entscheidung auf Grünen-Parteitag
Die endgültige Entscheidung über die Kanzlerkandidatur der Grünen fällt auf dem Parteitag vom 11. bis 13. Juni, die Zustimmung gilt aber als sicher. Die Grünen haben sich angesichts der seit 2018 hohen Umfragewerte erstmals für eine Kanzlerkandidatur entschieden. Derzeit sind sie mit mehr als 20 Prozent zweitstärkste Kraft hinter der CDU/CSU und vor der SPD.
Die Partei hatte die Entscheidung über die Kandidatur ihren beiden Parteivorsitzenden überlassen. In Umfragen lag die 40-jährige Baerbock bei den Sympathiewerten bisher hinter dem 51-jährigen Habeck, hat in den vergangenen Monaten aber aufgeholt.
Die SPD zieht mit Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz in die Wahl am 26. September, die Union muss sich noch zwischen den Vorsitzenden von CDU und CSU entscheiden, Armin Laschet und Markus Söder. Anders als bei CDU und CSU hat es bei den Grünen weder Streit noch größere öffentliche Diskussionen über die Kandidatenkür geben. Deswegen wird auch auf dem Parteitag im Juni eine große Zustimmung erwartet.
Artikel in der gleichen Kategorie:
- »Bild am Sonntag« druckt weiße Seite statt Baerbock-Interview
- Baerbocks Plan als Kanzlerin – Gegenderte Gesetzestexte in Deutschland!
- Armin Laschet will nicht als Juniorpartner in neue Regierungskoalition
- Merkels Regierungserklärung: Baerbock will Afghanistan-Gipfel einberufen – und sich außenpolitisch nicht weiter „wegducken“
- Vorsondierungen: FDP und Grüne haben bereits gesprochen