Liebe Frau Peirano,

ich (29, Bürokauffrau) bin auf der Partnersuche. Da ich den ganzen Tag arbeite (kleine Firma, keine interessanten Männer in meinem Alter) und im Fitnessstudio niemanden kennenlerne, habe ich es online versucht. Ich habe mich bei Tinder angemeldet und auch mit zwei Männern geschrieben. Das hat überhaupt nicht geklappt. Einer war auf Sex aus und der andere war überhaupt nicht auf meiner Wellenlänge. Von anderen Männern gab es blöde Anmachen, oder sie haben sich nicht wieder gemeldet. Es war ziemlicher Frust. 

Ich habe mich dann wieder abgemeldet. Jetzt lerne ich natürlich auch niemanden kennen und habe mir überlegt, ob ich es nicht noch einmal versuchen soll. Was sind denn aus Ihrer Sicht die wichtigsten Tipps, die man beachten soll, wenn man online einen Partner sucht?

Viele Grüße,

Maike G.

Liebe Maike G.,

Ich habe schon von vielen Menschen – Männern und Frauen – gehört, dass die Partnersuche im Internet frustrierend ist. Andere wiederum haben im Internet ihren Partner gefunden. Ich bin deshalb der Meinung, dass es sich lohnt, sich mit diesem Weg der Partnersuche zu beschäftigen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Sie können auch nach Feierabend von zu Hause aus mit Männern in Kontakt kommen, die Single sind. Im Alltagsleben sind diese Möglichkeiten begrenzt, wenn man wie Sie den ganzen Tag arbeitet und nicht gerade Lust hat, im Supermarkt, im Cafè, im Gitarrenkurs an der Volkshochschule krampfhaft nach einem Partner Ausschau zu halten. Und außerdem sagt einem in freier Wildbahn keiner, wer ernsthaft einen Partner sucht und wer nicht.

Es gibt beim Online-Dating zwei wichtige Punkte, die man beachten sollte. 

Das erste ist die Erwartungshaltung und die daraus entstehende Einstellung zur Partnersuche. Vergleichen Sie die Partnersuche vielleicht einmal mit der Wohnungssuche oder der Suche nach einem Arbeitsplatz. Natürlich kann es passieren, dass man durch Glück gleich die richtige Wohnung zu einem unglaublich günstigen Preis findet und dass der Vermieter von einem selbst überzeugt ist und die Vermietung problemlos über die Bühne geht. Es klingt vielleicht unrealistisch, aber es kann passieren, und ich kenne Menschen aus meinem engsten Umfeld, bei denen es so war. Glück gehabt! 

Auch kann es sein, dass man eine Zeitschrift aufschlägt und einem gleich als erstes sein Traumjob ins Auge springt, man dann beim Vorstellungsgespräch die letzten Zweifel ausräumt und jahrelang hochzufrieden arbeitet, natürlich zu einem großzügigen Gehalt.

Nur wie realistisch ist das? Und wie häufig kommt es vor? 

Sie werden mir sicher zustimmen, dass die meisten Menschen, die man auf ihre schöne Wohnung oder ihren tollen Job anspricht, eine Geschichte von viel Anstrengung, langer Suche und möglicherweise gewissen Kompromissen und Abstrichen berichten werden. 

Bei der Partnersuche ist das nicht anders. Ja, es gibt sie, die Liebe auf den ersten Blick, und dazu noch eine ohne böses Erwachen. Eine Freundin von mir hat gleich beim ersten Antworten auf eine Zeitungsannonce (was auch eher aus Spaß geschah, weil die Anzeige so sympathisch klang) ihren absoluten Traummann kennengelernt, der auch noch nie eine Kontaktanzeige aufgegeben hatte. Er wählte sie unter 300 Frauen aus, und die beiden sind seit mittlerweile 7 Jahren glücklich zusammen. Klingt zu gut, um wahr zu sein? Das finden die beiden auch, und sie freuen sich täglich über ihr Glück.

Aber das ist eher die Ausnahme als die Regel. Jeder Partnersuchende müsste sich darauf einstellen, unzählige Stunden bei der Partnersuche zu investieren, vielen Männern zu schreiben, regelmäßig die vielversprechendsten Männer zu treffen und dann mit ein wenig Glück einen Partner zu finden. Sie sollten mit Rückschlägen und nervigen Dates rechnen und Wege finden, um sich nicht davon entmutigen zu lassen, bis Sie Ihren Partner gefunden haben.

Ich kenne viele Menschen, die halbherzig suchen, und ich befürchte, dass genau das der Grund ist, warum sie nicht weiter kommen. Bei Jobsuchen oder einer Wohnungssuche sind die meisten Menschen zwar auch genervt, aber sie bleiben am Ball, weil Sie damit rechnen, dass es mühsam wird. Und irgendwann werden sie fündig. Dieser Realismus würde auch in der Liebe helfen.

Der zweite wichtige Punkt ist die „Technik“ und Strategie des Online-Datings. Ich habe viele Menschen getroffen, die unglücklich waren, weil sie nicht den richtigen Partner gefunden haben. Bei näherem Hingucken waren sie aber nicht bereit, sich wirklich in die Suche hinein zu knien. Sie haben zu schnell aufgegeben, keine Zeit investiert und sich von Rückschlägen entmutigen lassen. Oder sie haben es aus Angst vor all diesem gar nicht erst richtig versucht, sondern hatten ein verschwommenes, ungünstiges Foto und einen hingehudelten Text.

Bei einer Bewerbungsmappe wird an jedem Komma gefeilt, jeder Satz hinterfragt und für das Bild ein professioneller Fotograf beauftragt. Beim Online-Daten empfehle ich, die gleiche Mühe zu investieren. Dann wird Ihrem Gegenüber auch klar, dass Sie ernsthaft suchen.

Zuerst einmal könnten Sie sich die Frage beantworten, wie der Mensch sein sollte, den Sie suchen. Wie lebt er? Welche Werte hat er? Wie stellt er sich seine Zukunft vor, wenn er zu Ihnen passen soll? Wie verbringt er seinen Urlaub, was macht er am Wochenende? Welche Hobbys könnte er haben, damit er gut zu Ihnen passt?

Es wäre wichtig, dass Sie sich die gleichen Fragen stellen und vielleicht Freunde oder Familienangehörige fragen, wie diese sie einschätzen. Nur ein wirklich ehrliches und aussagekräftiges Profil hilft, den Partner zu finden, der zu Ihnen passt.

Wählen Sie Ihre Plattform sorgfältig aus. Es gibt verschiedene Datingportale im Internet. Bei einigen wie Tinder reicht das Foto, um zu einem „Match“ zu kommen. Dafür sollten Sie sich überlegen, ob Sie jemand sind, zu dem das passt – oder ob Sie eher punkten, wenn Sie auch persönliche Informationen über sich preisgeben.

Es gibt kostenpflichtige Portale – es lohnt sich, diese anzuschauen. Denn möglicherweise suchen die Menschen ernsthafter, die dafür bezahlen, als diejenigen, die sich aus einer Laune heraus kostenlos registrieren können. Es gibt Portale, bei denen ein Test beantwortet wird, der Aussagen darüber treffen soll, wie gut Menschen in ihren Vorlieben übereinstimmen. Bei anderen Anbietern kann sich jeder selbst darstellen und etwas über sich schreiben.

Schauen Sie sich die Portale gut an und entscheiden Sie bewusst, was zu Ihnen passt. Denn die Wahrscheinlichkeit ist höher, dass Sie dort auf gleichgesinnte Menschen treffen. Das ist ähnlich wie im Alltag: Ein Opernfan findet wahrscheinlich eher in einem Konzert oder einem Museum einen Partner als beim Fußball.

Ich würde Ihnen empfehlen, sorgfältig ein gutes (sympathisches, natürliches) Foto (ohne andere Menschen oder Tiere darauf) zu erstellen und ein aussagefähiges, freundliches Profil zu erstellen. Gehen Sie aufs Ganze, damit es gut wird. Zeigen Sie es Freunden (auch männlichen) und fragen Sie nach ehrlicher Rückmeldung.

Überlegen Sie genau, was Sie preisgeben möchten und was nicht. Und stellen Sie sich genau vor, wie ein freundlicher, gesunder Kontakt beginnen würde – und wie nicht. Legen Sie sich eine spezielle Email-Adresse zu und eventuell ein spezielles Handy, die keine Rückschlüsse über Ihren Nachnamen und Ihre Adresse erlaubt.

Wenn Sie Ihr Profil online gestellt haben, kommt der nächste Schritt. Sie müssen entscheiden, wen Sie treffen möchten und wen nicht. Was für Kriterien haben Sie und wie sieben Sie die Männer aus, die Ihnen merkwürdig vorkommen? Machen Sie sich das bitte bewusst.

Es wäre aus meiner Erfahrung besser, nur so lange mit jemandem zu schreiben, bis Sie sich entscheiden, ob Sie ihn treffen möchten. Sonst entstehen durch langes, intensives Schreiben Illusionen, die vielleicht nichts mehr mit der Wirklichkeit zu tun haben und zu Enttäuschungen führen. 

Wenn Sie sich mit jemandem treffen, empfehle ich zuerst ein kurzes Treffen auf einen Kaffee an einem neutralen Ort. Dann sind Sie sicher, und es ist unverfänglicher als in Ihrem Lieblinbgscafè. Schauen Sie während des Treffens, ob Sie diesen Mann wieder treffen möchten. Wenn nicht, wäre es wichtig, den Abschied vorzubereiten. Was sagen Sie, damit Ihr Gegenüber nicht verletzt wird, aber damit deutlich wird, dass der Kontakt beendet wird? Eine freundliche Formel wie „danke für das nette Gespräch, aber ich habe den Eindruck, dass wir doch unterschiedliche Wellenlängen haben. Alles Gute für dich“ kann helfen. Es ist wichtig, dass Sie Kontakte beenden können, sonst kommen Sie nicht voran, weil unerwünschte Kontakte Sie belasten.

Wie gehen Sie damit um, wenn es nicht gepasst hat? Wichtig ist, was Sie nach dem Treffen zu sich sagen. Sagen Sie sich: „Na siehst, du, wird eh nichts, schon wieder einen Abend verschwendet?“ Oder zählen Sie sich lang und breit Ihre vermeintlichen Fehler auf, um sich zu überzeugen, dass Sie es nicht wert sind, jemanden zu finden? Oder sagen Sie sich: „Gut, dass du dich mit jemandem getroffen hast. Erfahrung macht klug. Dieser Mann hier war es nicht, aber wie willst du jemanden finden, wenn du nicht ausgehst?“ Können Sie sich auch an einer netten Unterhaltung freuen oder an einer erweiterten Menschenkenntnis, auch wenn es nicht geklappt hat?

Vielleicht können Sie das Dating erst einmal bis zu dem Ziel denken: „Ich erstelle ein gutes Profil und treffe mich jede Woche mit einem Mann auf einen Kaffee“. Dann sind Sie einen riesigen Schritt weiter und können sehen, welche weiteren Fragen aufkommen. Zum Beispiel: Er meldet sich nur unregelmäßig, was mache ich? Oder: Das erste richtige Date – wie gestalte ich es? Oder: Er will Sex, ich noch nicht. Was mache ich?  

An dem Punkt können Sie sich dann weitere Gedanken machen oder bei Freundinnen, insbesondere denen mit Online-Dating-Erfahrung, Rat suchen. Es gibt viele Ratgeber zu dem Thema, die Ihnen bestimmt weitere wichtige Tipps geben können.

Ich hoffe, dass ich Ihnen Mut machen konnte, beherzt erste Schritte zu gehen und die Chancen zu erhöhen, eines Tages einen guten Partner zu treffen. Das ist schon ganz viel, und der Rest ist Glückssache. Mir fällt hier ein passender Witz ein: Ein Mann betet jeden Tag zu Gott. ‚Lieber Gott, lass mich bitte im Lotto gewinnen“. Jahrelang passiert nichts, der Mann wird immer frustrierter. Eines Tages betet er wieder zu Gott, und da kommt eine donnernde Stimme vom Himmel. „Ich will dir ja helfen, aber dann kauf dir verdammt noch mal ein Los.“

Herzliche Grüße, Julia Peirano

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