„Da haben wir einen riesigen Vorsprung“. Dieser Satz fiel im Jahr 2009 bei der Präsentation eines E-Autos, es ging um die Lithium-Ionen-Technologie, heute Standard-Stromspeicher der Elektromobilität. Er stammt allerdings nicht von einem Ingenieur des Elektroauto-Pioniers Tesla, wie man meinen könnte. Sondern von einem Mitsubishi-Entwickler.

Mitsubishi war mal eine Großmacht im Rallyesport und SUV-Vorreiter. Ein automobiler Weltkonzern, der sich damals anschickte, die Speerspitze der Elektromobilität zu bilden. Tesla war zu jener Zeit nicht mehr als eine Bastelbude: Das Start-Up aus Kalifornien bestellte Roadster beim chronisch von der Pleite bedrohten britischen Hersteller Lotus und verbaute darin Elektro-Komponenten.

Nicht schön, aber innovativ

Mitsubishi hingegen brachte damals das Modell i-MiEV auf den Markt, das zwar nicht schön, dafür aber umso innovativer war. Nun, mehr als ein Jahrzehnt später, läuft die Produktion des Modells zum Ende des Fiskaljahres 2020 aus. Und damit endet die Karriere eines E-Autos, dem der Erfolg zu Unrecht verwehrt blieb.

Denn eigentlich verkörpert der als „Mitsubishi innovative Electric Vehicle“ bezeichnete Stromer das Ideal eines Elektroautos. Der Wagen basierte auf dem Modell „i“, einem 3,40 Meter langen und 1,48 Meter breiten, sogenannten Kei-Car. So heißt in Japan eine eigene Fahrzeugklasse, die einige Privilegien genießt, wie zum Beispiel geringere Kfz-Steuern und günstigere Parkgebühren. Dafür dürfen Kei-Cars exakt festgelegte Maße, denen der i-MiEV entspricht, nicht überschreiten und maximal 64 PS stark sein.

Der E-Motor des i-MiEV – dessen Name in Deutschland vermutlich kaum verkaufsfördernd war – saß wie bei der Verbrennerversion im Heck und leistete ebenfalls 64 PS, beschleunigte den Wagen dank eines Drehmoments von 180 Newtonmetern aber deutlich schneller. Die Höchstgeschwindigkeit lag bei autobahntauglichen 130 km/h. Die Reichweite lag im Alltag bei rund 100 bis 140 Kilometern, gespeist wurde der Motor von einer aus heutiger Perspektive geradezu lächerlich kleinen Batterie mit einer Kapazität von 16 Kilowattstunden.

Der i-MiEV nutzt seine Länge optimal aus

Der i-MiEV war damit ein alltagstauglicher Elektrokleinwagen, vor allem aber passte das Design des Mitsubishi-Kleinwagens, in den der neue Antrieb verpflanzt wurde, perfekt zur Elektromobilität: Die Karosserie verschenkte keinen Zentimeter Platz für Pseudo-Motorhauben, sondern nutzte die geringe Grundfläche optimal aus. Der i-MiEV war außen klein und innen groß – auch wenn dort eine von zahlreichen Testern gescholtene, billig anmutende Hartplastikwüste wartete.

Problematischer als das frugale Interieur aber war die äußere Gestalt des Pioniers. Der i-MiEV mochte noch so konsequent den Raum ausnutzen, den Elektroautos durch fehlende Motoren, Getriebe und andere Anbauteile haben – er entsprach einfach nicht den klassischen Autoproportionen, die von Fronthaube, Fahrgastzelle und Kofferraum geprägt sind. In den Augen europäischer und amerikanischer Kunden war er damit ein kurioser Freak.

Dabei war die Karosserie des Wagens nicht nur aus praktischer Sicht gelungen. Durch Leichtbauweise wog der Wagen nur 1100 Kilogramm, was sich wiederum positiv auf die Reichweite auswirkt – und so eine große Batterie überflüssig machte. Und trotz des geringeren Gewichts, einem kurzen Vorbau und der damals neuartigen Batterie an Bord konnte der i-MiEV in Crashtests des ADAC überzeugen.

Nicht allein im Klub der Gescheiterten

Das erste Großserien-Elektroauto zeigte damit, wie das Auto der Zukunft hätte aussehen können: Möglichst effizient geformt, mager ausgestattet und damit leicht, um möglichst platz- und energiesparend von A nach B zu kommen. Dadurch sinkt nicht nur der Energieverbrauch der Fahrzeuge und man braucht weniger Batteriekapazität, um alltagstaugliche Reichweiten zu schaffen, es ist auch mehr Platz für andere Verkehrsteilnehmer wie Radfahrer.

Doch diesen Idealen fühlten sich damals nur wenige Kunden verpflichtet. Es brauchte schon eine gehörige Portion missionarischen Eifer, um sich für das seltsame Gefährt zu erwärmen – nicht zuletzt wegen des saftigen Preises von knapp 35.000 Euro.

Dass der allein aber nicht ausschlaggebend war, zeigt ein Blick auf den Nissan Leaf, ein E-Auto, das kurz nach dem i-MiEV auf den Markt kam und ähnlich teuer war. Der im Vergleich zum i-MiEV konventionell mit Fronthaube gezeichnete Kompaktwagen verkaufte sich seit 2010 über eine halbe Million mal – Mitsubishis Elektropionier wurde dagegen nur rund 32.000 Mal abgesetzt.

Im gleichen Zeitraum stieg Tesla zum wichtigsten Elektroauto-Hersteller auf – mit geradezu gewöhnlich gestalteten, vergleichsweise schweren Autos, die dafür aber umso beeindruckendere Fahrleistungen bieten. Auch die etablierten Hersteller gehen bei ihren Stromern den Weg des geringsten Widerstands: altes Konzept, neuer Antrieb, idealerweise im SUV-Format.

Das Ende des i-MiEV ist deshalb nicht nur der Abschied von einem Elektropionier, sondern auch eine Gelegenheit, darüber nachzudenken, wie viel Platz, Leistung und Komfort man wirklich braucht. Und auf wie viel man möglicherweise verzichten kann. Für Mitsubishi bleibt dabei nur ein schwacher Trost: Man ist im Klub der gescheiterten Elektropioniere nicht allein. Ähnlich erging es auch dem BMW i3, der anders, aber ebenso konsequent das Auto neu dachte – und auch ungeliebt blieb.

Icon: Der Spiegel

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