Seit Tagen halten die Proteste gegen Korruption im Libanon an. Ministerpräsident Hariri hat zwar Reformen angekündigt und Neuwahlen angeboten. Die Demonstranten fordern jedoch mehr.

Von Björn Blaschke, ARD-Studio Kairo, zzt. Beirut

Großdemonstrationen im Libanon gegen Korruption und Vetternwirtschaft auf den höchsten politischen Ebenen. Da will der Regierungschef des Landes vor allem eines: beschwichtigen.

Ganz in diesem Sinne hielt Saad El Hariri am Nachmittag eine Ansprache. Es gebe viele verschiedene und berechtigte Forderungen, sagte der Regierungschef. „Vor dieser Tatsache habe ich vor drei Tagen mit meinen Regierungspartnern gesprochen und ihnen 72 Stunden Zeit gegeben, um ein Maßnahmenpaket zu schnüren.“

Es werde einen Gesetzentwurf geben zur Wiederbeschaffung veruntreuter Staatsgelder, erläuterte Hariri. „Dazu kommt vor Ende des Jahres ein Gesetzentwurf zur Einrichtung einer Kommission, die die Korruption bekämpfen soll.“

17 Punkte zur Beruhigung

Mit einem 17-Punkte-Katalog will Hariri den Hunderttausenden Demonstranten im Land nachgeben: Unter anderem soll die Regierung ein Komitee gründen, das gegen die Korruption im Libanon vorgeht.

Ein anderes Komitee soll die Veruntreuung von Staatsfinanzen untersuchen und das Geld wiederbeschaffen. Zudem will Hariri internationale Unternehmen davon überzeugen, im Libanon zu investieren.

Forderung nach Rücktritt der gesamten Regierung

In seiner Ansprache wandte sich Hariri auch direkt an die Protestierenden: „Ihr seid auf der Straße und kämpft für eure Würde, für Arbeitschancen, für elementare staatliche Dienstleistungen, Rentenversicherung und soziale Sicherheit, sowie für den Respekt eurer Wählerstimmen.“ Sie würden gehört werden, erklärte Hariri. „Wenn ihr vorgezogene Parlamentswahlen wollt, werde ich euch zur Seite stehen!“

Das alles klingt, als würde Libanons Regierung einlenken. Aber: Die Hauptforderung der meisten Protestierenden ist, dass die gesamte Führung des Libanon zurücktritt. Sie soll den Weg für eine Übergangsregierung aus Experten freimachen. Erst in einem zweiten Schritt wollen die Demonstranten dann Neuwahlen.

Demonstranten wollen unabhängige Untersuchungen

Die Untersuchung der Veruntreuungs- und Korruptionsfälle soll – laut Demonstranten – ebenfalls von unabhängigen Expertenkommissionen geleitet werden und nicht von Leuten, die mutmaßlich mit dem derzeitigen Apparat verbandelt sind.

Hariri erklärte weiter, die Demonstrationen könnten ungehindert von Sicherheitskräften weitergehen. Der Staat habe vielmehr die Aufgabe, die Protestierenden zu unterstützen. „Die Beschlüsse, die wir heute gefasst haben, entsprechen vielleicht nicht euren Forderungen. Diese Beschlüsse haben wir aber nicht gefasst, um euch dazu zu bewegen, nicht mehr zu demonstrieren.“

Er werde nicht verlangen, die Demonstrationen zu beenden. Das sei die Entscheidung der Demonstranten, betonte Hariri. „Ihr dürft aber sicher sein, dass ich niemandem erlaube, euch zu bedrohen, denn der Staat ist verpflichtet, euch – und das Recht auf friedliche Meinungsäußerung – zu schützen.“

Die politische Führung des Libanon macht kleine Zugeständnisse und zeigt sich da großzügig, wo es selbstverständlich sein sollte. Letztlich will sie aber alles beim Alten belassen; an der Macht bleiben. Die Proteste im Libanon werden also höchst wahrscheinlich weitergehen – oder sogar noch größer werden.

Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 21. Oktober 2019 um 17:00 Uhr.

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