Seit der Thüringen-Wahl geht es bei der CDU drunter und drüber. Jetzt will der abgewatschte Spitzenkandidat Mike Mohring bei „Markus Lanz“ erklären, wie es weitergehen soll. Das tut er auch – und wie!

Die Gäste

● Mike Mohring (CDU, 47). Der Wahlverlierer auf dem Weg aus dem politischen Minenfeld: Soll er mit den Linken oder nicht?

● Cerstin Gammelin (54). Die Journalistin (SZ), in Sachsen geboren, kennt ihre ostdeutschen Pappenheimer.

● Helge Achenbach (67). Der Ex-Kunstberater saß vier Jahre im Knast, weil er den Aldi-Erben Berthold Albrecht um Millionen prellte.

● Marie Bäumer (50). Die Schauspielerin spielte zuletzt die einsame Romy Schneider als unter Alkohol gesetztes Opfer zweier zwielichtiger Reporter.

Die große Talk-Bühne gehört dem Mann von der CDU. Den anderen Gästen bleibt da wohl nur die Statistenrolle, auch weil der Talkmaster das Zoff-o-Meter am liebsten selber auf Touren bringt.

Keine Frage: Mike Mohring (2. v. l.) war der Mann der Stunde am Mittwochabend bei Markus lanz (l.)Foto: ZDF

Zuerst ein dickes Kompliment

Lanz schmeichelt dem sympathischen CDU-Wahlverlierer als „Ministerpräsident der Herzen“, fragt dann aber frech: „Haben Sie sich verzockt?“

Mohring lässt sich nicht provozieren, zeigt allerdings Emotionen: „Mir hat es das Herz zerrissen, dass so viele Kolleginnen und Kollegen jetzt nicht mehr im Landtag sind!“

Dann geht auch schon das Zoff-o-Meter los

Lanz sieht den abgewählten Linke-Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (63) nicht nur als Wahlsieger, sondern auch ganz fest im Sattel, denn: „Nach der Landesverfassung kann die Regierung immer weitermachen!“ Soll heißen: Der CDU bleibt nur die Wahl zwischen Juniorpartner der alten Wendekommunisten oder harte Oppositionsbank.

Doch der CDU-Politiker hat eine coole Erwiderung: „Das denkt derjenige, der noch im Amt ist!“

Lanz lächelt milde. Auch niemand sonst im Studio scheint zu ahnen, dass Mohring mit dem Satz listig eine ganz neue Richtung vorbereitet.

Mike Mohring redete im Gespräch mit Markus Lanz (l.) sehr offen über seine Koalitionspläne für ThüringenFoto: ZDF

Interessanteste Information

„Der Ministerpräsident hat mir am Montagvormittag eine SMS und eine E-Mail geschickt“, verrät Mohring als nächstes und macht gleich klar, dass er die Einladung zu einem Gespräch nicht ablehnen wird: „Haltung haben und miteinander reden schließt sich nicht aus!“

Der Talkmaster wundert sich: „Das hat doch keinen Sinn, wenn man sich nichts zu sagen hat!“

Klügste Analyse

Dann führt der CDU-Politiker in aller Ruhe einen bisher noch gar nicht recht gewürdigten Aspekt in die Debatte ein: „Die CDU hat die meisten Wahlkreise gewonnen!“ Stimmt: Es sind 21. Linke und AfD haben je nur elf.

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Er wolle mit Ramelow reden, um dessen Vorstellungen für die Zukunft des Landes zu hören, sagt Mohring weiter. Eine Koalition mit der Linken schließt er klar aus – nicht ein Mal, sondern drei Mal.

Klarste Absage

Und damit auch wirklich keine Zweifel bleiben, schießt der CDU-Politiker noch einmal wie im hitzigsten Wahlkampf aus allen Rohren: Die DDR ein Unrechtsstaat, Todesschüsse auf Flüchtlinge, das alles müsse die Linke erst einmal anerkennen – sprich: zugeben und bereuen.

Die SZ-Journalistin redet immer noch über eine Linke/CDU-Koalition. Mohring ist anderer Meinung: „Es geht offensichtlich in Thüringen jetzt nur noch mit einer Minderheitsregierung“, stellt er fest.

Überraschung des Abends

Die anderen denken dabei nur an die abgewählte Koalition aus Linke, SPD und Grünen, doch Mohring hat etwas ganz anderes im Sinn, und jetzt lässt er die Katze aus dem Sack: „Es gibt auch eine Minderheit der bürgerlichen Mitte“, sagt er. „Und das würde ich gern ausloten.“

Thüringen-Wahl 2019: Sitzverteilung im Landtag – Infografik

Rot-Rot-Grün hat 42 Sitze, eine Koalition aus CDU, SPD, Grünen und FDP käme immerhin auf 39 Sitze. Wichtigster Unterschied: Im ersten Fall bliebe Ramelow Ministerpräsident, im zweiten Fall aber würde der Regierungschef Mike Mohring heißen.

Denn die 39 Abgeordneten einer „Koalition der bürgerlichen Mitte“ könnten den gescheiterten CDU-Kandidaten trotz allem tatsächlich zum neuen Regierungschef wählen: Im dritten Wahlgang reicht die relative Mehrheit!

Spannendster Dialog

Jetzt hat es auch Lanz kapiert. „Sie wollen Ministerpräsident werden?“ staunt er.

Soooooo deutlich will es Mohring jetzt natürlich noch nicht sagen: Die FDP hat gerade mal fünf Stimmen über den Durst, und das offizielle Endergebnis steht erst am 7. November fest.

Klar ist jetzt allerdings: Wenn Ramelow meint, Thüringen auch mit einer Minderheitsregierung regieren zu können, lässt sich eine CDU-geführte Minderheitsregierung kaum verteufeln.

Möchte Mike Moring etwas Ministerpräsident werden?Foto: ZDF

Gretchenfrage des Abends

Lanz versucht es trotzdem: Würde Mohring dann im Landtag notfalls auch Stimmen der AfD akzeptieren?

Für den CDU-Mann wäre eine solche heikle Unterstützung von Rechtsaußen offenbar kein Hinderungsgrund: „Die Frage stellt sich sowohl in der Regierung als auch in der Opposition“, antwortet er kühl. Uff!

Ungewöhnlichster Plan

Viel lieber wäre Mohring allerdings ein „Projekt, neue Gemeinsamkeiten zu bilden“. Es gehe darum, „neue Formen der parlamentarischen Zusammenarbeit“ zu entwickeln, floskelt er, und um eine besonderen „Hinwendung zum Bürger“.

Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Thüringer? „Jetzt sind wir platt!“ seufzt Lanz. Die anderen Talkgäste, gekommen, um ihre neuen Bücher vorzustellen, legen sich danach zwar mächtig ins Zeug, können aber im letzten Teil des Talks nur noch als Edelkomparsen einen ganz langen Abspann füllen.

Zitat des Abends

Es dürfen nicht die gewinnen, die Hass säen!

(Mohring über die Notwendigkeit einer Mitte-Regierung ohne die extremen Ränder)

Fazit

Hoher News-Wert, klare Ansagen, sachliche Argumente, der völlig überrollte Talkmaster weit weniger selbstverliebt als sonst – das war ein Talk der Kategorie Wilhelm Busch: „Stets findet Überraschung statt, wo man es nicht erwartet hat.“

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