Schon jetzt steigt der Anteil der positiven Proben unter den PCR-Tests in Laboren, laut Robert Koch-Institut steht Deutschland unmittelbar vor dem Beginn einer weiteren Infektionswelle. Anders als noch im Sommer 2020 allerdings sind große Teile der Bevölkerung inzwischen geimpft. Für vollständig Geimpfte stufen die Forscher die Gefährdung für die Gesundheit durch das Coronavirus als moderat ein. Nun erwägt Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), allen Bürgern eine Auffrischimpfung anzubieten.

Die Länder starteten jetzt schrittweise mit den sogenannten Booster-Impfungen in den Pflegeeinrichtungen und für besonders gefährdete Menschen, sagte Spahn dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Zudem könnten sich diejenigen noch einmal impfen lassen, die bislang nur Vektorimpfstoffe bekommen hätten. »In einem zweiten Schritt können wir dann darüber nachdenken, auch allen anderen eine Auffrischimpfung anzubieten«, so der Minister.

»Eine Booster-Impfung ist von den Zulassungen gedeckt, sie verstärkt und verlängert den Impfschutz«, erklärte er. Auch Impfstoff sei ausreichend vorhanden. Für die Auffrischimpfungen setzt Spahn nach eigenen Worten vor allem auf die Arztpraxen. Ende September gingen viele Impfzentren in den Standby-Modus, sagte er. »Aber die Arztpraxen sind ja noch da. Allein die schafften bis zu fünf Millionen Impfungen in der Woche.«

Erst gestern hatte der Virologe Christian Drosten erklärt, dass für den Großteil der Geimpften im Herbst keine Auffrischungsimpfung gegen Sars-CoV-2 nötig sein wird. »Die Schutzwirkung der Coronavakzinen ist viel besser als beispielsweise bei den Influenza-Impfstoffen«, sagte Drosten. Auch das baldige Aufkommen einer neuen Virusvariante, die gegen die verfügbaren Impfstoffe resistent ist, erwartet der Virologe nicht.

Drosten hält Auffrischung bei älteren Menschen für sinnvoll

Auffrischungen sind bei vielen Impfstoffen üblich und notwendig: Der Impfschutz gegen Tetanus etwa muss alle zehn Jahre aufgefrischt werden, gegen Grippe gibt es jedes Jahr einen modifizierten Impfstoff. Durch die Coronaimpfung werden im Blut neutralisierende Antikörper gebildet, die Sars-CoV-2 bekämpfen können. Außerdem werden spezifische T-Zellen aktiviert, die Eindringlinge erkennen und abtöten können.

Allerdings geht sowohl die Zahl der neutralisierenden Antikörper als auch der Anteil der T-Zellen im Blut von Geimpften mit der Zeit zurück. Wie stark, ist bei jeder Impfung und jedem Menschen unterschiedlich. Durch eine Booster-Impfung wird das Immunsystem neu stimuliert und die Immunantwort wieder verbessert.

Bei alten Menschen sowie bestimmten Risikopatienten hält Drosten eine Auffrischungsimpfung in diesem Herbst für sinnvoll. In Sondersituationen wie Seniorenheimen sei eine Auffrischung daher denkbar. Dies stünde zahlenmäßig kaum im Konflikt mit der internationalen Knappheit von Impfstoff. Für die übrige Bevölkerung werde irgendwann vielleicht ein Altersniveau definiert werden, ab dem eine Auffrischungsimpfung sinnvoll werde.

USA bieten ab September den Booster an

Die US-Regierung hatte am Mittwoch angekündigt, die gesamte amerikanische Bevölkerung voraussichtlich ab September mit Auffrischungsimpfungen gegen das Coronavirus versorgen zu wollen. Bürger sollen rund acht Monate nach Abschluss ihrer ersten beiden Impfungen mit den Präparaten von Moderna oder Pfizer/Biontech eine dritte Dosis bekommen, wie hochrangige Gesundheitsbeamte mitteilten. Hintergrund seien die Ausbreitung der besonders ansteckenden Delta-Variante sowie Datenauswertungen, wonach der Schutz durch die Impfstoffe mit der Zeit abnehme.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kritisiert hingegen Pläne für Auffrischimpfungen bei gesunden Menschen. Bislang sei nicht einmal klar, ob sie nötig seien, sagte die Chef-Wissenschaftlerin Soumya Swaminathan am Mittwoch in Genf.

Während in reichen Ländern jede Menge Impfstoff vorhanden ist, warten weltweit in Dutzenden Ländern viele Millionen Menschen noch auf die Chance einer Impfung.

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