Das Immunsystem des Menschen hat eine besonders wertvolle Eigenschaft: Es kann nach überstandener Infektion mit einem Erreger Antikörper bilden, die vor einer erneuten Ansteckung mit derselben Krankheit schützen. In einigen Fällen – bei Masern etwa – besteht nach einer überstandenen Infektion eine lebenslange Immunität gegenüber dem Erreger. In anderen Fällen hält der Schutz dagegen nur für einen kürzeren Zeitraum, meist Jahre, an. 

Auch im Fall des neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 gehen Experten davon aus, dass Patienten nach einer Infektion mit dem Virus Antikörper und damit eine Immunität ausbilden. „Wir wissen allerdings noch nicht, wie lange diese anhält“, sagt Isabella Eckerle, Leiterin der Forschungsgruppe „Emerging Viruses“ am Universitätsklinikum in Genf. „Wenn man eine Analogie zu den anderen Coronaviren annimmt, könnte man von einem Zeitraum von ein paar Jahren ausgehen: Bei Sars beispielsweise sind Antikörper drei bis fünf Jahre nachweisbar. Es ist nicht so, dass man sich nach ein paar Tagen oder Wochen mit genau dem gleichen Virus wieder infizieren kann.“

Coronavirus: „Wir kennen solche Befunde“

Für Verwirrung hatte letzte Woche ein Fall in Japan gesorgt, bei dem eine ehemals genesene Covid-19-Patientin erneut positiv auf das Virus getestet wurde. Die Frau hatte sich zunächst anscheinend von der Infektion erholt, dann aber schwere Symptome entwickelt. Ärzte des Krankenhauses in Wuhan hatten am vergangenen Donnerstag im Fachblatt „Jama“ einen kurzen Report veröffentlicht, der in eine ähnliche Richtung weist: Sie berichten darin über vier weitere, anscheinend genesene Patienten, die zunächst als gesund eingestuft worden waren, und bei denen der Erreger im Anschluss erneut nachgewiesen werden konnte. Als gesund gelten demnach Patienten, deren Symptome verschwunden sind und bei denen das Virus in zwei aufeinanderfolgenden Tests mit mindestens einem Tag Abstand nicht mehr nachgewiesen werden konnte.

Für Experten sind diese Fälle keine große Überraschung – und auch kein Grund zur Beunruhigung. „Wir kennen solche Befunde auch von anderen, respiratorische Erkrankungen auslösenden Viren, beispielsweise Grippeviren“, sagt Forscherin Isabella Eckerle. „Dabei sind auch gegen Ende der Erkrankung, wenn der Patient schon wieder gesund ist, noch Reste des Virus in den Atemwegen zu finden.“

Testmethode schlägt bereits auf Erbgut an

Man müsse sehr vorsichtig damit sein, solche Testergebnisse als Reinfektion – also als erneute Ansteckung mit dem Erreger – zu interpretieren, nicht zuletzt, weil die verwendeten Testmethoden „extrem sensitiv“ seien, so die Expertin. „Wir testen dabei auf vorhandenes Viruserbgut. Solange also noch Reste des Virus vorhanden sind, bleibt der Test positiv, obwohl das Virus vielleicht schon nicht mehr infektiös ist.“

Banale Gründe können dafür sorgen, dass ein Test mal positiv, mal negativ ausfällt. Das Material für den Test wird durch einen Abstrich im Nasen-Rachenraum gewonnen, so Eckerle. Die Prozedur sei unangenehm für den Patienten. „Sollte das zuständige Personal beispielsweise zu zaghaft vorgehen, kann eine Probe auch einmal negativ getestet werden. Wird der Abstrich wieder korrekt durchgeführt, weist er beim nächsten Mal wieder das Virus nach.“

Prof. Dr. med. Johannes Knobloch

Das Coronavirus wird mittels PCR-Methode nachgewiesen. Dabei handelt es sich um einen molekularbiologischen Test, der nach Virus-Erbgut fahndet. „Virale RNA kann oft lange nachdem das infektiöse Virus verschwunden ist noch nachgewiesen werden“, betont auch Florian Krammer, Professor für Vakzinologie in New York. „Das kommt bei Masern vor, aber auch bei Zika und Ebola.“ Im Falle der erneut positiv getesteten Patienten hieße das: Das Coronavirus wäre zwar noch nachweisbar, die genesenen Patienten mit hoher Wahrscheinlichkeit aber nicht mehr infektiös. 

Wie aber lässt sich dann der zweite Krankheitsschub bei der japanischen Patientin erklären? Die Frau hatte sich zunächst erholt, dann aber erneute, schwere Symptome entwickelt. Bei den vier Patienten im Jama-Bericht war dies nach der anscheinenden Genesung nicht beobachtet worden. Drei von ihnen waren nur mild erkrankt, der vierte Patient hatte sogar keinerlei Symptome gezeigt. 

Virus gesellt sich zu Virus

Laut Eckerle könnten „Ko-Infektionen“ für die Besonderheiten bei dem japanischen Fall sorgen. „Es liegen mittlerweile Daten vor, dass Covid-19 mit anderen Virusinfektionen einhergehen kann und Patienten dann beispielsweise für zwei Viren positiv getestet werden. Der Test auf Sars-CoV-2 wäre aufgrund der restlichen Erbinformation weiterhin positiv, die Symptome stammen aber von einer neuen, anderen Erkrankung.“

Auch Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Berliner Charité ist skeptisch, was die Fallberichte angeht. Vor allem der Befund des Jama-Berichts sei seiner Meinung nach überhaupt nicht überzeugend. Der Nachweis mit der PCR-Methode könne nach der ersten Symptomwoche erheblich schwanken, betont Drosten. „Mal positiv, mal negativ, und zwar unabhängig von den Symptomen.“ Die wissenschaftliche Grundlage der Veröffentlichung sei „porös“, so Drosten. „Um es mal milde auszudrücken“.

Der Nachweis mit der PCR-Methode hat auch Auswirkungen darauf, ab wann Covid-19-Patienten wieder aus den Kliniken entlassen werden dürfen. Es sei „pragmatisch und sinnvoller“, bei der Beurteilung des Patienten nach den klinischen Symptomen zu gehen, sagt Viren-Forscherin Isabella Eckerle. „Sollte man viele Patienten auf einmal in den Kliniken haben, ist es kontraproduktiv, die gesundeten Patienten solange in den Kliniken zu behalten, bis auch die Tests negativ ausfallen.“

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