Influencer unterhalten, sind Trendsetter und Werbefläche zugleich – und für viele deutsche Jugendliche und junge Erwachsene außerdem eins: Vorbilder. Das Leben von „BibisBeautyPalace“ und Co. scheint perfekt: Sie sind schön, reich und erfolgreich. Laut einer Studie der AFG Videoforschung GmbH sind Influencer bei Jugendlichen in Sachen Vorbild inzwischen mit anderen klassischen Stars, zum Beispiel Sportlern oder Sängern, gleichauf.

Medienwissenschaftler Stefan Meier erklärt das Phänomen im DW-Interview so: „Natürlich ist die inszenierte Botschaft von vielen Influencern: Mach es so wie ich, und dann bist du auch so erfolgreich und attraktiv.“ Zwar wollten Kinder und Jugendliche schon immer Popstars oder Profisportler werden. „Doch heute erscheint es erheblich leichter realisierbar zu sein, dass Menschen wie du und ich auf den Social-Media-Sockel steigen und damit erfolgreich werden“, erklärt er.

Stefan Meier Medienwissenschaftler

Stefan Meier forscht an der Universität Koblenz zu sozialen Medien und Influencern

Nachahmung hilft bei Identitätsbildung

Wenn Kinder und Jugendliche bestimmte Influencerinnen und Influencer nachahmen, tun sie es laut Meier jedoch eher auf spielerische Weise. Die Nachahmung helfe ihnen dabei, sich mit alternativen Lebenskonzepten und der eigenen Persönlichkeitsentwicklung auseinanderzusetzen, so der Experte. „Somit ist eine Nachahmung einzelner Verhaltensweisen von Influencern eher als konstruktiv-kreativ und identitätsbildend zu bewerten“, sagt er. Problematisch werde es nur dann, wenn der Konsum zur Droge werde. In dem Fall seien aber weniger die Influencer verantwortlich, sondern zumeist die familiäre und psychosoziale Situation der Jugendlichen selbst.

Wie kommt es aber, dass Influencer für Jugendliche heute so wichtig sind? Ausschlaggebend könnte ihre Präsenz im Medienalltag sein: 70 Prozent aller 16- bis 24-jährigen Deutschen begegnen Influencern in den sozialen Medien täglich – egal, ob bewusst angeklickt oder per Zufall.

Mediennutzung von Jugendlichen hat sich verändert

Das wiederum liegt daran, dass deutsche Jugendliche Medien heute ganz anders nutzen als früher. Während man Stars und Sternchen früher noch vor dem Fernseher oder im Radio verfolgte, spielt sich die Öffentlichkeit heute immer mehr in den sozialen Medien ab – dafür reicht ein Klick auf dem Smartphone. Hier sind die jungen Menschen gut vernetzt, knapp 90 Prozent der 16 bis 29-jährigen Deutschen sind in den sozialen Medien unterwegs. Am häufigsten nutzen deutsche Jugendliche WhatsApp, Instagram, Snapchat, Tik Tok und Facebook.

Handy mit Tik Tok Logo auf dem Bildschirm

Auf dem aufsteigenden Ast: die chinesische Plattform Tik Tok

Bei der Nutzung sozialer Medien unterscheiden sie sich übrigens nicht so sehr von Jugendlichen anderer europäischer Länder. Größer ist tatsächlich der Unterschied zur älteren Bevölkerung, egal in welchem Land.

Eine weitere wichtige Anlaufstelle im Internet ist die Video-Plattform YouTube, die inzwischen eine zentrale Rolle im Medienalltag von Jugendlichen einnimmt. An erster Stelle stehen dort zwar nach wie vor Musikvideos, aber: „Wenn man sich anschaut, was die beliebtesten YouTube- Anfragen von Jugendlichen in Deutschland sind, dann gehören BibisBeautyPalace, MontanaBlack oder Julien Bam und Rezo mit dazu“, sagt Angela Tillmann, Leiterin des Instituts für Medienforschung und Medienpädagogik der Technischen Hochschule Köln.

Screenshot | Youtube Account | BibisBeautyPalace

Luxus und Konsum: Bibi geht shoppen – und nimmt über eine Million Zuschauer und Zuschauerinnen mit

Gaming für Jungen, Beauty für Mädchen?

Auffällig ist dabei, dass die erfolgreichsten YouTuberinnen und YouTuber gerade für die Themen bekannt sind, die typischen Geschlechterklischees entsprechen: Schminke und Mode für Mädchen, Videospiele für Jungs. Tillmann erklärt das Nutzungsverhalten damit, dass die Jugendlichen in den sozialen Medien nach Bestätigung der eigenen Geschlechterkonstruktionen suchen. „Wenn ich als Junge ‚Let’s Plays‘ (Videos, in denen jemand ein Videospiel spielt, Anm. d. Red.) anschaue, dann ist das eben als ‚typisch männlich‘ angesehen – ich kann mich darüber ‚männlich‘ positionieren und finde Anschluss.“

Influencer zeigen sich in erwartbaren Rollen

Trotzdem seien nicht nur die sozialen Medien Schuld an diesen Geschlechterkonstruktionen. „Wenn schon bei der Geburt die erste Frage, die gestellt wird, die ist, ob es ein Mädchen oder ein Junge wird – und sich die Welt dann in rosa und blau differenziert, ist es nicht verwunderlich, dass sich auch Mediennutzungspraktiken unterschiedlich entwickeln“, sagt Tillmann.

Influencer machen Werbung in den sozialen Medien

Was man hinter all dem nicht vergessen darf: Instagram und Co. sind für Influencer nach wie vor vor allem ein Geschäftsmodell. Auf ihren Kanälen machen sie Werbung für bestimmte Produkte und verdienen mit diesen Kooperationen Geld. Wie viel das konkret ist, ist unklar. Schätzungen gehen aber davon aus, dass Influencer pro gesponsertem Post mehrere tausend Euro verdienen können – das gilt jedoch nur für die Top-Liga.

Problematisch dabei ist, dass auf den sozialen Medien die Grenzen zwischen Werbung und Inhalt verschwimmen. Laut einer Studie des Digitalverbands Bitkom sagt jeder zweite Social-Media-Nutzer, er könne Werbung von Inhalt nur schwer unterscheiden. Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen greifen immer mehr Unternehmen auf das sogenannte „Influencer Marketing“ zurück.Sogar die deutsche Bundesregierung gibt Geld für Influencer-Marketing aus – im Jahr 2020 waren es 224.000 Euro.

Diana zur Löwen | Influencerin

„Sinnfluencer“ wie Diana zur Löwen sprechen auf Instagram über feministische Themen

Influencer als „Sinnfluencer“

Das heißt aber nicht, dass alle Influencer mit ihren Posts nur Geld verdienen wollen. So gibt es in jüngerer Zeit eine Gruppe von Influencern, die zwar Werbekooperationen eingehen, die aber genau schauen, wofür die Unternehmen stehen – ob sie zum Beispiel nachhaltig sind.

Eine von ihnen ist Diana zur Löwen. Die 26-Jährige hat früher Videos produziert, in denen sie Schminktipps gab oder ihre neue Shopping-Ausbeute präsentierte.

Heute trifft sie in ihren Videos Politiker, gibt Tipps zu Finanzen oder erklärt vegane Ernährung. Der Grund dafür: „Ich sehe täglich so viele Dinge, die sich ändern müssen“, sagt sie gegenüber der DW. „Ich möchte Menschen darauf aufmerksam machen, dass sie ihr Verhalten reflektieren sollten und dafür nutze ich gern meine Reichweite.“ Ihre Rolle sieht sie vor allem als die der großen Schwester oder guten Freundin. „Ich glaube und hoffe, dass meine Inhalte vielen jungen Menschen hilft und sie ermutigt“, sagt sie. Nichtsdestotrotz ist auch sie letztlich Influencerin – und verdient an dem Geschäft mit den sozialen Medien.

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