Der Fall hatte in Indien für große Aufmerksamkeit gesorgt: Vier Männer hatten im November eine Tierärztin vergewaltigt und sie ermordet. Nun sind die mutmaßlichen Täter bei der Nachstellung der Tat von der Polizei erschossen worden.

Von Silke Diettrich, ARD-Studio Neu Delhi

Der Hashtag „#encounter“ liegt derzeit im Trend in Indien. Gemeint ist das Gefecht zwischen Polizisten und vier mutmaßlichen Vergewaltigern in den frühen Morgenstunden. Die Polizei von Hyderabad sagt, sie hätte die Angeklagten zum Tatort geführt, um die Tat rekonstruieren zu können. Die mutmaßlichen Täter hätten die Polizisten angegriffen und hätten versucht zu fliehen. Daher sei es reiner Selbstschutz gewesen.

Das Gefecht ist die Breaking News in allen Nachrichtensendern in Indien. „Dramatische Wendung im Vergewaltigungsfall“ – lautet die Bildunterschrift. Der Fernsehsender NDTV hat die Familie des Opfers interviewt.

Die jüngere Schwester sagt: „Ich bin sehr froh darüber, wie die Polizei gehandelt hat. Ich finde, sie haben ein gutes Beispiel für die Zukunft gesetzt. Jetzt wird keiner mehr so leichtfertig eine Frau vergewaltigen. Ich danke allen, die uns in den vergangenen Tagen unterstützt haben.“

Viele Menschen in den Sozialen Netzwerken gratulieren den Polizisten. Ein ehemaliger Minister der Hauptstadt Neu-Delhi, Kapil Mishra, dankt der Polizei auf Twitter. „Das ist der Weg, wie man mit Vergewaltigern umgehen muss. Ich hoffe, andere Bundesstaaten lernen von Ihnen!“

Demos in Indien: „Wir wollen Gerechtigkeit“

Tausende Menschen hatten in den vergangenen Tagen vor der Polizeistation in Hyderabad demonstriert. Aber auch in vielen anderen Städten waren die Menschen auf die Straße gegangen, auch in der Hauptstadt Neu-Delhi. „Wir wollen Gerechtigkeit“ riefen die Männer und Frauen.

Und aus Sicht der Demonstranten sei die erfüllt, wenn die Täter umgebracht würden, sagt auch Babli Marshall. Er ist wie viele extrem wütend, dass die Justiz so lange braucht, um Vergewaltiger zu bestrafen: „Wir fordern die Richter auf: Erhängt die Täter! Es soll kein anderes Gesetz geben, erhängt Vergewaltiger einfach gleich nach ihrer Tat“.

Zwar sind die Strafen für Vergewaltiger in den vergangenen Jahren verschärft worden. Wenn das Opfer stirbt, können die Täter zum Tode verurteilt werden. Das war auch der Fall bei der brutalen Gruppenvergewaltigung vor sieben Jahren, die weltweit Schlagzeilen gemacht hatte. Allerdings sind die Todesurteile bis heute nicht vollstreckt worden.

Anwältin kritisiert Verhalten der Polizei

Nur wenige Menschen in Indien kritisieren den so genannten Encounter. Die Anwältin Vrinda Grover fragt in einem Interview im Nachrichtensender NDTV, wie es sein könne, dass alle vier Angeklagten nun tot seien: „Diese Tat wird uns nicht weiterhelfen. Dadurch können weder Frau noch Mädchen in diesem Land geschützt werden. Im Gegenteil, es gefährdet das Leben aller Menschen hier.“

Vergewaltigungsopfer angezündet

Auch gestern war eine Vergewaltigung das Top-Thema in Indien. Eine Frau, die Anfang des Jahres vergewaltigt worden war, war auf dem Weg zum Gericht, um gegen ihre Peiniger auszusagen. Auf dem Weg dorthin hatten mehrere Männer sie niedergeschlagen und in Brand gesteckt. Die Frau ringt nun mit Verbrennungen des schwersten Grades um ihr Leben.

Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 06. Dezember 2019 um 10:00 Uhr.

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