Landwirte wünschen sich mehr Anerkennung für ihre Arbeit. Um das Image der Branche zu verbessern, demonstrieren sie nicht nur auf der Straße, sondern werben auch im Klassenzimmer.

Von Oda Lambrecht, NDR

Viele Landwirte wünschen sich mehr Verständnis für ihre Arbeit. Dafür möchte ein Verein der Branche sorgen, und zwar insbesondere bei Kindern und Jugendlichen. Der Verein heißt „Information.Medien.Agrar“ (I.M.A.) und wird unter anderem vom Deutschen Bauernverband getragen.

„Grundwissen über Landwirtschaft in Schulen tragen“

„Unser Ziel ist es, zunächst erst einmal das Grundwissen über die Landwirtschaft wieder in die Schulen zu tragen“, erklärt Patrick Simon, I.M.A.-Geschäftsführer. Dafür bietet der Branchenverein sogar eigene Lehrmaterialien für den Unterricht an. Etwa 70.000 Lehrer würden die Unterlagen nach I.M.A.-Schätzungen nutzen.

Das Angebot ist breitgefächert und spricht alle Altersgruppen an. Dazu gehören Mal- und Lesehefte über „große Maschinen“ für die Grundschule, Arbeitshefte wie „Vom Bauernhof zum Supermarkt“, die Lernzirkel „Expedition in den Schweinestall“ oder „Expedition in den Kuhstall“. Der Verein gibt sogar ein extra Lehrermagazin heraus.

Darin können Lehrer etwa lesen, dass Medien zunehmend ein „einseitiges und verzerrtes Bild der landwirtschaftlichen Tierhaltung“ vermittelten, oder sich zum Thema Pestizide über „Sp(r)itzentechnik“ und „präzise Geräte für den Acker“ informieren.

Kinder können in den Unterrichtsmaterialien beispielsweise lesen, dass Fleisch wichtige Nährstoffe enthalte, in Schlachthöfen nach strengen Tierschutzvorschriften geschlachtet werde und Deutschland ein „Paradies für Wurstesser“ sei.

„Kampf um die Köpfe im Klassenzimmer“

Der Didaktikprofessor Tim Engartner von der Goethe-Universität Frankfurt am Main kritisiert den Einsatz dieser Materialien. Schule habe einen Allgemeinbildungsauftrag, wenn aber immer mehr Branchenverbände in die Schulen drängten, um dort für ihre Interessen zu werben, so der Bildungsexperte, sei das der Kampf um die Köpfe der Kinder im Klassenzimmer. Denn eine kritische Reflexion der Landwirtschaft komme hier zu kurz, so der Sozialwissenschaftler.

Das räumt auch I.M.A.-Geschäftsführer Simon gegenüber dem NDR ein: „Wir zeigen keine Probleme auf, sondern erklären die Landwirtschaft.“ Im letzten Effekt sei das sicherlich Lobbyarbeit, so Simon, der Verein vertrete die Interessen der Bäuerinnen und Bauern.

Dabei versucht der Verein I.M.A. auch, Einfluss auf Schulbuchinhalte zu nehmen. „Wir überwachen oder schauen regelmäßig in die Schulbücher hinein“, sagt Geschäftsführer Simon. Ziel sei dabei, für ein objektiv sachliches Bild der Landwirtschaft zu sorgen, so der I.M.A.-Vertreter. Es ginge darum, tendenziöse Darstellungen und Schwarzweißmalerei aufzuheben – wie etwa, alles, was ökologisch sei, sei gut, alles, was konventionell sei, sei schlecht.

Schulbesuche und „Shakeseminare“

Auch die niedersächsische Landesvereinigung der Milchwirtschaft wendet sich an Schülerinnen und Schüler, um mehr Akzeptanz ihrer Produkte zu erreichen. Sie bietet laut ihrer Internetseite Lehrmaterialien und Milchshakeseminare an. „Wir gehen auch in Schulen und informieren dort“, erzählt Milchviehhalter Amos Venema auf der Grünen Woche am Stand der Milchwirtschaft. Das Interesse sei dabei auch, dass Menschen Milch konsumierten, so Venema.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht die Versuche von Wirtschaftsverbänden und Konzernen, auf Schulen Einfluss zu nehmen, mit Sorge. Außerschulische Akteure dürften natürlich Lehrmaterialien anbieten, so die GEW-Schulreferentin Martina Schmerr, aber auch vor dem Hintergrund sinkender Lehrmitteletats hält sie den Einsatz in Klassen für problematisch.

Verwendung ist nicht verboten

Auf die Frage, ob der Einsatz von Lehrmaterialien aus der Wirtschaft an Schulen erlaubt sei, verweist die Kultusministerkonferenz auf die Bundesländer. Eine Umfrage unter mehreren Ländern zeigt, verboten ist die Verwendung solcher Materialien in der Regel offenbar nicht.

Das Kultusministerium Schleswig-Holstein etwa schreibt auf Nachfrage, dass Schulen im Land auf der Grundlage der Lehrpläne und Fachanforderungen eigenständig über die Anschaffung von Schulmaterialien entscheiden würden. Auch Niedersachsen erklärt, die Schulen hätten hier einen Spielraum, Lehrer und Schulvorstände dürften über den Einsatz solcher Unterlagen im Rahmen der Landesvorschriften selbst entscheiden.

Baden-Württemberg weist darauf hin, dass solche Materialien nur verwendet werden dürften, wenn der pädagogische Zweck deutlich überwiege und die Werbung nur einen geringen Umfang habe. Und das Kultusministerium Mecklenburg-Vorpommern erklärt, es komme auf den unterrichtlichen Kontext an: Wenn Lehrer die Inhalte kritisch einordnen würden, könnten sie solche Materialien durchaus verwenden.

Die GEW-Schulexpertin Schmerr jedenfalls würde sich zumindest wünschen, dass solche Materialien vorher professionell geprüft und bewertet würden, die Verwendung freier Unterlagen einzelner Verbände oder Unternehmen sollten aus ihrer Sicht strenger reguliert werden.

Über dieses Thema berichtet die Sendung Panorama im Ersten am 13. Februar 2020 um 21:45 Uhr.

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