„Die Welt schläft nicht. Und nach dieser Krise werden mit Sicherheit die Karten neu gemischt“, warnt Kanzlerin Angela Merkel. Bei Gesprächen mit dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte in Berlin fordert die Kanzlerin die Europäer zu einem mutigen Reformkurs auf, um gestärkt aus der Corona-Krise zu kommen. Hilfen, die nicht mit Reformen und einer Ausrichtung auf die Zukunft verbunden seien, würden letztlich nichts helfen, macht sie deutlich.
„Es wird geguckt, wer kann wirklich den Menschen in seinen Ländern Wohlstand garantieren. Und das geht nur mit einer wettbewerbsfähigen, zukunftsfähigen Wirtschaft“, sagt Merkel. Eine große Rolle müsse zum Beispiel der Klimaschutz spielen, wo die Niederlande einen „sehr, sehr engagierten Weg“ gingen.
Nur Gemeinsamkeit zählt
Rutte betont, es sei jetzt wichtig, dass der schwere Schlag, den Europa erlitten habe, gemeinsam gemeistert werde. Deutschland und die Niederlande könnten nur gut weitermachen, wenn es der ganzen Europäischen Union gut gehe. Alle Wirtschaftssysteme seien eng miteinander verzahnt.
Den geplanten europäischen Wiederaufbaufonds hält der Premier für sehr wichtig. Aber es sei auch wichtig, dass ein solcher Fonds zusammen mit Reformen aufgelegt werde, „damit alle EU-Mitgliedsstaaten auch stark sind, und damit bei einem folgenden Schlag ein solcher Fonds gar nicht notwendig ist“, erklärt Rutte weiter.
Mit Blick auf den geplanten mittelfristigen Finanzrahmen der EU ruft er die Europäer zur Sparsamkeit auf. „Wir wollen nicht, dass der Nettobeitrag in Folge des Brexit und der Corona-Krise nun steigt.“
Die „Sparsamen Vier“
Die Niederlande gehören mit Österreich, Dänemark und Schweden zu den „Sparsamen Vier“, die nicht rückzahlbare Milliardenzuwendungen ablehnen. Von den 750 Milliarden Euro des schuldenfinanzierten Wiederaufbauplans sollen nach den Vorstellungen der EU-Kommission 500 Milliarden als Zuschüsse und 250 Milliarden als Kredite vergeben werden. Den Haag will die Mittel nur in Form von Krediten zugestehen, die zudem an wirtschaftliche Reformen geknüpft werden sollen.
Rutte steht auch innenpolitisch unter Druck, denn er muss am Ende eine Mehrheit im Parlament von einem Kompromiss überzeugen. Seiner Mitte-Rechts-Koalition fehlt eine Stimme. Außerdem hat er Konkurrenz im Land in Form der zwei euro-skeptischen Rechtspopulisten Geert Wilders und Thierry Baudet. In den kommenden Tagen wird der niederländische Premier noch mit den Regierungschefs aus Italien, Spanien und Portugal zusammentreffen.
Am Freitag und Samstag kommender Woche beraten die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Mitglieder erstmals wieder persönlich auf einem Sondergipfel über das geplante Konjunkturpaket.
se/ack (dpa, afp)
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