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Rockstar Frank Turner darf keine Konzerte mehr spielen, veröffentlicht aber mit der Band NOFX ein Cover-Album. Im NEON-Interview spricht er über seine Deutsch-Kenntnisse, die Erfahrungen im Lockdown und sein neues Leben als verheirateter Mann.
Wie die meisten anderen Briten hat Frank Turner zuletzt viel Zeit in seiner Wohnung in London verbracht, mit seiner Ehefrau und seiner Katze – beim NEON-Interview Anfang Juli wartete er noch darauf, nach den Lockerungen der Corona-Maßnahmen endlich einen Termin bei seinem Frisör zu bekommen. Das andere wichtige Ereignis für den Rockmusiker ist die Veröffentlichung seines Split-Albums mit der US-Punkband NOFX.
Auf „West Coast vs. Wessex“ covern NOFX fünf Songs von Turner, der Brite selbst hat ebenfalls fünf Stücke der Punk-Veteranen neu aufgelegt. Zeit dafür hatte Turner unter anderem deshalb, weil einige seiner Projekte in diesem Sommer dem Coronavirus zum Opfer gefallen sind. In dieser Woche spielte Turner ein erstes Konzert, das zum Probelauf für Musikveranstaltungen unter Corona-Bedingungen werden sollte. Der Veranstalter bezeichnete den Versuch im Nachhinein jedoch als „nicht erfolgreich“, da sich ein solches Event bei verringerter Zuschauerzahl finanziell nicht rentiere.
NEON hat mit Frank Turner über die Sehnsucht nach Konzerten, seine Erfahrungen im Lockdown und sein neues Leben als verheirateter Mann gesprochen.
Frank Turner im Interview: „Es wird auch mal Zeit, über Erwachsenenkram zu singen“
NEON: Frank Turner, die Idee von NOFX und dir, sich gegenseitig zu covern, klingt ein wenig danach, als hätten Musiker zu lange zusammen in einer Bar gesessen. War es so?
Frank Turner: Naja, ein bisschen. Mike, der Sänger von NOFX, und ich sind seit etwa zehn Jahren befreundet. Im vergangenen Jahr haben wir auf einigen Festivals zusammen gespielt und irgendwann fragte er mich, ob wir gemeinsam ein Split-Album machen wollen. Und ich sagte: „Äh, ja, das wäre schön.“ Wenn mir jemand vor 20 Jahren gesagt hätte, dass ich mal so etwas mit NOFX machen würde, hätte ich mir in die Hosen gemacht.
Wie war es für dich, deine Songs von jemand anderem zu hören? Hast du noch einmal etwas Neues darin entdeckt?
Für jeden Musiker ist es zuerst einmal ein Kompliment, wenn jemand deine Songs spielt. Bei NOFX war es allerdings etwas ganz Besonderes, weil ich mit dieser Band aufgewachsen bin. Viel besser geht’s eigentlich nicht. Als ich die Versionen zum ersten Mal gehört habe, musste ich lachen – so ein glückliches Lachen. Es ist ihr Sound, ihr Sänger, aber mit meinen Songs.
Wenn die eigenen Lieder gecovert werden, ist das auch ein Beweis dafür, dass deine Musik anderen etwas bedeutet. Was bedeutet es für dich, dass sich andere in Texten wiederfinden, die du über deine eigenen Erfahrungen und Gefühle geschrieben hast?
Manchmal fragen mich junge Musiker, ob sie einen meiner Songs auf ihren Konzerten spielen können – natürlich! Es fühlt sich gut an. Ich habe lange versucht, mich nicht zu viel damit zu beschäftigen, weil ich nicht durch den Supermarkt laufen und denken wollte: ‚Yeah, meine Musik ist wichtig‘. Das wäre eine beschissene Einstellung. Aber mittlerweile ist es eine Ehre für mich.
Natürlich müssen wir auch über die Coronavirus-Pandemie sprechen. Du hast ja mal ein wenig Deutsch gelernt – hast du das während des Lockdowns etwas ausbauen können?
(auf Deutsch) Nein. (lacht.) Das ist das Einzige, was ich noch kann. Mein Deutsch bestand eher aus ein paar auswendig gelernten Sätzen für die Bühne. Aber ich hatte ein anderes Projekt: Ich wollte selbst eine E-Gitarre zusammenbauen, also habe ich mir ein Set dafür gekauft. Aber die Anleitung war auf Deutsch – und zwar ganz schön technisches Deutsch. Ich musste mir das von einem Freund übersetzen lassen. Aber es hat geklappt – und jetzt habe ich eine deutsche Gitarre.
Wie hast du denn sonst die Zeit des Lockdowns erlebt?
Mir kommt es vor, als würde das Ganze schon seit 1985 so gehen, also ewig lang. Aber es gab verschiedene Phasen. Für mich persönlich war der Anfang sehr hart, weil ich meine Tour abbrechen musste. Und ich musste mein Festival „Lost Evenings“ absagen, das im Mai in Berlin hätte stattfinden sollen. Es tut mir immer noch verdammt weh, wenn ich das sage. Das wäre mein Highlight des Jahres geworden.
Du hast dann angefangen, Online-Konzerte für Clubs zu spielen, die in der Corona-Krise Geld brauchen. Weißt du, wie viel dabei zusammengekommen ist?
Insgesamt haben die Leute dabei fast 200.000 Pfund (mehr als 220.000 Euro, Anm. d. Red.) gespendet. Ich habe 13 Online-Shows für Clubs in Großbritannien gespielt und noch eine – als einzigen ausländischen Club – für das „Molotow“ in Hamburg, weil sie gefragt haben und ich diesen Laden einfach liebe.
Jemand wie du lebt doch eigentlich für Live-Konzerte. War es da nicht fast langweilig, vor einer Kamera zu spielen?
Ja, es hat etwas gedauert, bis ich mich dran gewöhnt hatte. Es fühlte sich am Anfang schon komisch an, nur für meine Frau, meine Katze und die Rückseite meines Handys zu spielen. Aber ich vermisse es unglaublich, richtige Konzerte zu spielen. Und ich verspreche, das erste normale Konzerte, das es nach all dem geben wird, wird biblisch. Die ersten Shows nach Corona werden sich wie religiöse Erfahrungen anfühlen und ich freue mich jetzt schon riesig darauf.
Wann das sein wird, weiß allerdings niemand. Welche Lösungen kannst du dir in der Zwischenzeit vorstellen?
Es gibt ja einige Versuche, zum Beispiel mit Auto-Konzerten. Ich bin auch schon gefragt worden, aber habe bisher immer abgesagt. Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass das gut ist. Immerhin merken wir jetzt, wie wichtig es ist, dass Musiker und Fans – oder Menschen überhaupt – zusammenkommen, dass es eine echte Verbindung gibt.
Das geht den Fans sicherlich genauso.
Absolut, und auch ich vermisse es, auf Konzerte zu gehen. Neulich hat mir ein Freund erzählt, dass er an einem Abend eine Woche vor dem Lockdown überlegt hat, auf ein Konzert zu gehen und sich dann dagegen entschieden hat. Heute würde er über Glasscherben kriechen, um die Spice Girls oder irgendeine Band zu sehen.
Lass uns noch kurz über eine wichtige Veränderung in deinem Leben sprechen – du hast im vergangenen Jahr geheiratet.
Ja, und es ist großartig, ich kann Heiraten sehr empfehlen.
Okay, wir geben uns Mühe. Aber wie hat das deine Kunst verändert? Schließlich war Liebeskummer vorher immer eines deiner Lieblingsthemen.
Ach, ich habe mehr als genug Songs über unglückliche Liebe geschrieben. Ich bin jetzt 38, und ich möchte nicht mit 45 immer noch so klingen, als wäre ich 25. Es gibt so viel Musik, die sich um Erlebnisse von Leuten in ihren Zwanzigern und Dreißigern dreht. Da wird es auch mal Zeit, über Erwachsenenkram zu singen. Das heißt nicht, dass ich jetzt nur noch glückliche Songs mache. Die Sachen, an denen ich gerade arbeite, sind eher wütend – aber das liegt natürlich nicht an meiner Frau. (lacht.)
Stimmt der Spruch, dass unglückliche Menschen bessere Kunst machen?
Ich glaube, diese Idee vom leidenden Künstler, die in unserer Kultur vorherrscht, ist ziemlicher Bullshit. Genau genommen schadet sie sogar vielen Menschen. Es gibt viele großartige Künstler, die viel glücklicher hätten sein können, wenn die Gesellschaft sie nicht dazu ermutigt hätte, unglücklich zu sein, weil sie dann angeblich bessere Songs schreiben. Das ist es einfach nicht wert.
Wann ist mit deinem nächsten Solo-Album zu rechnen?
Das kann ich wegen der Pandemie gerade wirklich nicht sagen. Ich hätte die Songs eigentlich in diesem Sommer aufnehmen sollen, daraus ist nichts geworden. Wir wollten das Album in den USA produzieren – das wird so bald auch nicht passieren. Außerdem lohnt es sich nicht, ein großes Album rauszubringen, bevor wieder Konzerte möglich sind. Aber ich habe total Bock darauf.
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