Stand: 18.09.2021 03:51 Uhr

Die hohe Zustimmung für US-Präsident Biden ist fürs erste passé. Afghanistan-Rückzug, die Impfprobleme: All das wird ihm angelastet. Und nun stehen zentrale, aber auch umstrittene Reformen an. Droht ihm ein stürmischer Herbst?

Von Claudia Sarre, ARD-Studio Washington

US-Präsident Joe Biden dürfte ein Herbst des Missvergnügens bevorstehen. Dabei war schon der vergangene Monat ein ordentlicher Ritt für ihn. Biden musste einiges an Kritik einstecken – seine Zustimmungswerte in der Bevölkerung sind deutlich gefallen, vor allem wegen des Truppenabzugs aus Afghanistan.

Claudia Sarre
Claudia Sarre ARD-Studio Washington

Hier werfen ihm nicht nur seine politischen Gegner Versagen auf ganzer Linie vor, sondern auch viele US-Bürger sind davon überzeugt, dass der Präsident diesbezüglich Fehler gemacht hat. Zwar war die Mehrheit der vielfach kriegsmüden Amerikaner dafür, die US-Soldaten nach 20 Jahren Krieg in Afghanistan nach Hause zurückzuholen, aber das Chaos beim Rückzug, das Timing, die humanitäre Katastrophe – für all das hatten die meisten Amerikaner kein Verständnis.

Beim Impfen in Rückstand geraten

Auch seine am Ende dann doch eher erfolglose Impfstrategie bringt den US-Präsidenten unter Druck. Bei der Impfquote liegen die USA hinter westlichen Industrienationen wie Großbritannien, Frankreich oder Deutschland. Und gleichzeitig ist die Delta-Variante in den USA außer Kontrolle geraten – vor allem in den republikanisch dominierten Bundesstaaten. Die Intensivstationen der Krankenhäuser sind voll und die traurige Zahl der täglichen Corona-Toten wieder auf einem hohen Niveau.

Biden spricht frustriert von einer „Pandemie der Ungeimpften“ und hat nun kurzerhand eine Impfpflicht verhängt, zumindest für die Bundesbediensteten. Auch Angestellte in der Privatwirtschaft müssen sich künftig impfen lassen oder einen Test vorlegen. Diese von oben verordneten Impfmandate kommen bei vielen Amerikanern gar nicht gut an.

Der nächste Kraftakt steht an

Etwas angeschlagen muss Biden nun Kraft sammeln, um seine geplanten Reformen durch den Kongress zu bringen. Senat und Repräsentantenhaus sind seit dieser Woche aus der Sommerpause zurück. Schon übernächste Woche – am 27. September – sollen die Kongressabgeordneten über das rund eine Billion Dollar schwere Infrastrukturpaket abstimmen, das der Senat im August in einem mitternächtlichen Kraftakt abgesegnet hat.

Das durch den Kongress zu kriegen, könnte schwierig werden, da die Demokraten im Repräsentantenhaus nur eine knappe Mehrheit haben und schon jetzt einige demokratische Abgeordnete deutliche Skepsis signalisieren.

Republikaner gegen Sozialreform

Ähnlich verhält es mit dem zweiten Mega-Investitionsprojekt der Biden-Regierung: eine 3,5 Billionen Dollar schwere Sozialreform, mit der – verteilt auf mehrere Jahre – gewaltige Summen in Kinderbetreuung, Bildung, Fürsorge für die Älteren und Gesundheit gepumpt werden sollen. Außerdem sieht das Paket massive Investitionen in den Klimaschutz und eine längst überfällige Reform des Einwanderungsgesetzes vor.

Bei den meisten Republikanern stoßen die gewaltigen Ausgaben auf alles andere als Begeisterung. Mit ihrer Unterstützung können die Demokraten im Senat also nicht rechnen. Aber auch aus den eigenen Reihen gibt es Widerstand. Während den Linken die Ausgaben für Sozialreformen nicht hoch genug sein können, hat der moderate Parteiflügel der Demokraten Bedenken. Zu den notorischen Kritikern gehört zum Beispiel Senator Joe Manchin aus West Virginia. Er spricht von „unverantwortlichen Ausgaben“ und führt die hohe Inflation und die hohen Staatsschulden ins Feld.

Um innerparteiliche Kritiker zu überzeugen, müssen vermutlich noch viele Gespräche geführt und Kompromisse gefunden werden. Abtrünnige können sich die Demokraten bei einer Sitzverteilung von 50 zu 50 im Senat nämlich nicht leisten.

Ein neues Wahlrecht für den Bund

Der vielleicht wichtigste Punkt auf Bidens Agenda ist, eine eigene Wahlrechtsreform auf den Weg zu bringen. Seit Monaten sind die Republikaner auf Bundesstaatenebene dabei, das Wahlrecht zu beschränken. Häufig wird bestimmten Bevölkerungsgruppen dabei die Stimmabgabe erschwert. Die Bundeswahlrechtsreform sieht vor, derartige Wahlrechtsbeschränkungen zu verbieten und auch das sogenannte Gerrymandering, das Verändern von Wahlbezirksgrenzen zum eigenen Vorteil, einzuschränken.

Schafft Biden es nicht, diese für seine Partei so wichtige Reform durch den Kongress zu bringen, könnte es für die Demokraten bei den Halbzeitwahlen im November 2022 schwierig werden. Ganz zu schweigen von den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2024.

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