Die Fleischwirtschaft droht nach der Kabinettsentscheidung zu Werkverträgen mit Abwanderung. NRW-Arbeitsminister Laumann glaubt an den Standort Deutschland, CSU-Chef Söder fordert eine europäische Lösung.

Durch die geplante Verschärfung der Arbeitsschutzvorschriften in der Fleischindustrie sehen Lobbyverbände den Produktionsstandort Deutschland gefährdet. Der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) teilt diese Befürchtung nicht: „Ich glaube nicht, dass es durch die geplanten Arbeitsschutzmaßnahmen zur Abwanderung von Betrieben ins Ausland kommt“, sagte er der „Rheinischen Post“. „Die Schlachthöfe sind da, wo die Tiere gezüchtet werden, und wir haben hier in Deutschland eine starke und wettbewerbsfähige Tiererzeugung.“

Laumann sagte der Zeitung, er rechne auch nicht mit einem Konflikt mit Deutschlands größtem Fleischfabrikanten Clemens Tönnies aus NRW. Tönnies hatte das geplante Verbot von Werkverträgen kritisiert und stattdessen etwa einen Mindestlohn und eine Überwachung der Unterbringung der Arbeiter durch Dritte gefordert. „Die Vorschläge von Herrn Tönnies dürften sich mit der aktuellen Beschlusslage der Bundesregierung erledigt haben“, sagte Laumann.

Fleischwirtschaft fürchtet Mangel an Arbeitskräften

Tönnies hatte Arbeitsminister Hubertus Heil laut einem Bericht der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ in einem Schreiben gewarnt, dass nach einem Verbot von Werkverträgen europäische Wettbewerber die Tierhaltung, Schlachtung und „Veredlung“ von Fleischprodukten übernehmen würden.

Auch der Verband der Fleischwirtschaft rechnet mit einer Abwanderung großer Teile der Branche ins Ausland. „Denn für viele manuelle Arbeiten wie in der Fleischwirtschaft findet man keine Arbeitskräfte mehr auf dem deutschen Markt“, sagte Hauptgeschäftsführerin Heike Harstick den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Der Bauernverband hatte ebenfalls gemahnt, dass die Fleischerzeugung nicht ins Ausland verlagert werden dürfe.

Söder fordert einheitliche Standards in Europa

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder forderte eine europäische Lösung, um eine Abwanderung von Betrieben zu verhindern. Die Standards in der Fleischbranche sollten generell in Europa diskutiert werden, „sodass wir dann auch Fairness und Gleichheit in ganz Europa haben und nicht nur in Deutschland“, sagte Söder in der ARD-Sendung Maischberger.

Gleichzeitig warnte er mit Blick auf die Forderungen von den Grünen vor einer neuen Preisdiskussion: Er sei gegen eine neue Fleischsteuer und auch dagegen, dass jetzt alles teurer werden müsse.

UN-Arbeitsorganisation nennt Zustände „schockierend“

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) kritisierte die deutsche Fleischindustrie scharf. Die Zustände in den Schlachthofbetrieben seien „schockierend und beschämend für Deutschland“, sagte die Direktorin der ILO-Vertretung in Deutschland, Annette Niederfranke, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Es zeige sich, „dass in manchen Bereichen nicht genügend hingeschaut und kontrolliert wird und auch über Jahre keine Konsequenzen gezogen wurden.“

Es gebe in der deutschen Fleischindustrie „eine Art Zwei-Klassen-System, denn die hohen Arbeitsschutz- und Gesundheitsstandards, für die sich Deutschland rühmt, gelten offensichtlich nicht für alle“. Gesetzgeber, Kommunen und Verbraucher hätten die Probleme lange Zeit ignoriert. „Das ändert sich hoffentlich jetzt.“ Niederfranke forderte zugleich „ein europäisches, grenzüberschreitendes System“, damit Missstände wie in der Fleischindustrie schneller aufgedeckt werden. Die Behörden müssten sich auch stärker absprechen.

Verbot von Werkverträgen und höhere Bußgelder

Nach massiven Corona-Ausbrüchen unter Arbeitern in der Fleischindustrie hatte die Bundesregierung am Mittwoch beschlossen, strengere Regeln zum Arbeitsschutz einzuführen. Nach dem Beschluss des Bundeskabinetts soll das Schlachten und die Verarbeitung des Fleisches in den Betrieben vom kommenden Jahr an nur noch von eigenen Beschäftigten erledigt werden. Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassung wären damit nicht mehr möglich.

Das Kabinett beschloss auch eine Ausweitung der Arbeitsschutz-Kontrollen durch den Zoll und die Länder, eine Pflicht zur digitalen Arbeitszeiterfassung und höhere Bußgelder bei Verstößen.

Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 20. Mai 2020 um 23:11 Uhr.

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