Stand: 22.12.2021 13:40 Uhr

Das Infektionsschutzgesetz ist mehrfach geändert worden. Dadurch haben sich die Voraussetzungen für Corona-Maßnahmen immer wieder verschoben. Ein Überblick.

Von Claudia Kornmeier und Frank Bräutigam, ARD-Rechtsredaktion

Man kann leicht den Überblick verlieren zwischen Absatz 1 Nr. 1 bis 17, Absatz 7 Nr. 1 bis 8 und Absatz 8 Nr. 1 bis 7 inklusive einer doppelten Verneinung. Und so gerät dieser Tage einiges durcheinander bei der Frage: Welche Corona-Maßnahmen dürfen die Bundesländer denn nun erlassen? Wofür gibt es eine rechtliche Grundlage? Und wofür nicht?

Claudia Kornmeier

Frank Bräutigam

Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Ralph Brinkhaus, vermisste im ARD-Morgenmagazin eine Grundlage für Restaurantschließungen: „Es ist so, dass momentan auch die gesetzliche Grundlage fehlt, um beispielsweise flächendeckend auch Restaurants zu schließen.“ Ähnlich äußerte sich sein Parteikollege, NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, am Dienstag bei „Bild live“ auf die Frage, ob es wieder geschlossene Gastronomie geben werde: „Das ist rechtlich aktuell gar nicht möglich. Die neue Mehrheit im deutschen Bundestag, die Ampel, hat das alles ausgeschlossen.“

Das stimmt so nicht. Tatsächlich gibt es durchaus eine gesetzliche Grundlage für die Schließung von Restaurants. Genauer gesagt: Es ist den Bundesländern rechtlich möglich, die Gastronomie zu schließen, wenn sie das politisch wollen.

Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern

Das Infektionsschutzgesetz des Bundes ist durch die zahlreichen Änderungen in den vergangenen Monaten nicht übersichtlicher geworden. Geblieben ist es – bis auf die Zeit der Bundesnotbremse – aber bei einer generellen Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern: Der Bund legt den gesetzlichen Rahmen für die Corona-Maßnahmen fest, die Länder entscheiden, welche Maßnahmen sie konkret umsetzen. Zentrale Vorschrift ist dabei Paragraf 28a. Das Gesetz unterscheidet mittlerweile drei Konstellationen und trifft eine Übergangsregelung.

Was die Landesregierungen aktuell in allen Bundesländern regeln können, wenn es der Infektionsschutz verlangt, sind Abstandsgebote, Kontaktbeschränkungen, Maskenpflicht, 3G- und 2G-Nachweispflichten, die Verpflichtung zur Vorlage von Hygienekonzepten sowie zur Kontaktnachverfolgung, Personenobergrenzen, etwa bei Veranstaltungen, und Auflagen für den Betrieb von Gemeinschaftseinrichtungen, zum Beispiel für Schulen, Kitas und Unis.

Landtage können weitere Maßnahmen beschließen

Die Schließung von Restaurants ist auf dieser Grundlage in der Tat nicht möglich. Aber es geht auf einem anderen Weg: Wenn in einem Bundesland die „konkrete Gefahr der epidemischen Ausbreitung“ von Covid-19 besteht, können die Landtage nach dem Infektionsschutzgesetz beschließen, dass weitere Maßnahmen ergriffen werden dürfen – zum Beispiel die Schließung von Gastronomie, Freizeit- und Kultureinrichtungen. Auf dieser rechtlichen Grundlage können nicht nur Restaurants, sondern zum Beispiel auch Clubs und Diskotheken geschlossen werden. Letzteres sieht etwa Baden-Württemberg auch bereits vor.

Von dieser „Länderöffnungsklausel“ machen aktuell fast alle Bundesländer Gebrauch – auch Nordrhein-Westfalen. Sie schöpfen aber nicht alle Möglichkeiten aus, die ihnen das Infektionsschutzgesetz dadurch gibt. Weiter möglich sind in einem solchen Fall etwa die Schließung von Messen, Alkoholverbote im öffentlichen Raum, das Verbot von Großveranstaltungen und Betretungsverbote etwa für Pflegeheime.

Für volles Programm: epidemische Lage

Was die Bundesländer dagegen derzeit nicht regeln können, sind zum Beispiel Ausgangsbeschränkungen, die Schließung von Schulen, Hotels und Einzelhandel oder Demonstrations- und Gottesdienstverbote. Dafür müsste der Bundestag wieder eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ feststellen. Nach der Bundestagswahl hatte die neue Mehrheit diese Feststellung nicht mehr getroffen. Sie ist aber Voraussetzung für die genannten besonders harten Lockdown-Maßnahmen.

Eine rechtliche Grundlage für das volle Programm der Corona-Maßnahmen haben die Bundesländer also erst dann wieder, wenn die Bundestagsabgeordneten erneut eine epidemische Lage feststellen. Das ist aber jederzeit möglich, wenn eine Mehrheit der Parlamentarier der Auffassung ist, dass die Voraussetzungen dafür vorliegen. Aus dem Gesetz gestrichen wurde diese Möglichkeit nicht.

Grundgesetz fordert Verhältnismäßigkeit

Wer sich wundert, dass in manchen Städten und Regionen auch aktuell Demonstrationen mit Verweis auf den Infektionsschutz verboten oder Ausgangsbeschränkungen für noch nicht geimpfte Menschen erlassen werden: Möglich macht das eine Übergangsregel, die noch bis zum 19. März 2022 gelten soll.

Außerdem gilt: Bei der konkreten Ausgestaltung der Corona-Maßnahmen müssen sich die Bundesländer auch an die Vorgaben des Grundgesetzes halten. Relevant ist dabei insbesondere die Frage der Verhältnismäßigkeit. Nicht alle Corona-Maßnahmen der Länder haben in der Vergangenheit einer gerichtlichen Kontrolle standgehalten.

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