Ob Maskenpflicht, Geschäftsöffnungen oder Gottesdienste: Die Bundesländer gehen bei der Corona-Bekämpfung eigene Wege. Minister Altmaier befürchtet ein Durcheinander wie im „Hühnerhaufen“. Alle müssten gemeinsam handeln.

Ab dem morgigen Montag lockern die Bundesländern viele Beschränkungen, die sie seit Mitte März zur Bekämpfung der Corona-Pandemie beschlossen hatten. Doch so wie schon die Beschränkungen unterschiedlich ausfielen, unterscheiden sich auch die Lockerungen. In einigen Ländern gehen sie zudem mit neuen Auflagen einher.

Jüngstes Beispiel: Hessen schließt sich anderen Bundesländern an und erlaubt auch größeren Geschäften wieder zu öffnen, wenn sie ihre Verkaufsfläche „unmissverständlich und klar“ auf 800 Quadratmeter reduzieren. Eine ähnliche Lösung sehen die Corona-Verordnungen in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland vor. Aber nicht alle Bundesländer schlagen diesen Weg ein. Sachsen-Anhalt zum Beispiel orientiert sich bei der Genehmigung allein an der im Miet- oder Pachtvertrag vermerkten Größe des Geschäfts. Inhaber dürfen ihre Geschäfte nicht teilweise öffnen oder verkleinern.

Dafür zeigen sich die Kommunen im Bundesland unterschiedlich tolerant. Halles Oberbürgermeister kündigte zum Beispiel an, bei geringen Überschreitungen nach Wegen zu suchen, diese wieder aus der Fläche herauszurechnen. Das sei in anderen Städten in Sachsen-Anhalt hingegen nicht geplant, berichtet die Nachrichtenagentur dpa.

Nicht alles ändert sich am Montag

Auch beim Öffnungstermin herrscht föderale Vielfalt – er ist den Bundesländern überlassen. In Berlin und Brandenburg etwa öffnen die Geschäfte erst am Mittwoch wieder, in Thüringen gehen die Gitter am 27. April wieder hoch.

Bayern wiederum unterscheidet zwischen der Größe und Art der Geschäfte. Gärtnereien, Bau- und Gartenmärkte können am Montag wieder öffnen, die kleineren Läden sowie alle Auto-, Fahrrad- und Buchhändler folgen eine Woche später. Nordrhein-Westfalen wiederum will bereits im ersten Schritt zusätzlich Möbelhäuser und Babyfachmärkte öffnen lassen. Das Möbelhaus Ikea verzichtet übrigens darauf – so kurzfristig ließen sich die nötigen Gesundheitsvorkehrungen nicht treffen, teilte das Unternehmen mit. Und Sachsen erlaubt ab Montag wieder Gottesdienste mit einer beschränkten Zahl von Teilnehmern.

Maskenpflicht in Etappen

Ein weiterer Diskussionspunkt zwischen den Bundesländern: die Maskenpflicht. Schärfer als andere agiert zum Beispiel Sachsen. Dort ist das Tragen von nicht-medizinischen Schutzvorkehrungen ab Montag im öffentlichen Nahverkehr und in Geschäften vorgeschrieben. In Mecklenburg-Vorpommern wiederum kommt die Maskenpflicht im ÖPNV eine Woche später. Auch weitere Kommunen wollen das Tragen einer Maske beim Einkauf und im öffentlichen Verkehr vorschreiben – nach Jena wollen dies am Montag Wolfsburg und Hanau tun. Die Bundesregierung lehnt eine generelle Pflicht hingegen weiter ab, sie beschränkt sich darauf, Schutzmasken beim Einkaufen sowie im öffentlichen Nahverkehr zu empfehlen.

In der Bildungspolitik, seit jeher das Politikfeld mit den stärksten Unterschieden zwischen den Bundesländern, beginnen einige bereits ab morgen mit den Prüfungsvorbereitungen (Sachsen) und Abiturprüfungen (Berlin und Brandenburg). Andere Länder ziehen wenige Tage später nach oder warten bis Anfang Mai. Dann soll gemäß der Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern der Schulbetrieb schrittweise wieder anlaufen. Hessen und Rheinland-Pfalz hatten wiederum den Betrieb nicht gänzlich gestoppt und im März wie geplant Abiturprüfungen unter strengen Hygienevorgaben stattfinden lassen.

Auch die Kita-Notbetreuung wurde schon bislang unterschiedlich von den Ländern gehandhabt, nun gehen sie auch bei der Ausweitung uneinheitlich vor.

„Nerven behalten“

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier mahnt angesichts dieser Vielfalt Bund und Länder zu mehr Einigkeit. „Wir dürfen nicht durcheinanderlaufen wie ein Hühnerhaufen und uns gegenseitig abwechselnd mit Verschärfungen und Lockerungen überbieten“, sagte der CDU-Politiker der „Bild am Sonntag“. „Wenn wir jetzt die Nerven behalten, können wir einen zweiten Lockdown vermeiden. Deshalb ist ein gemeinsames Handeln von Bund und Ländern so wichtig.“

Die in den vergangenen Tagen erarbeiteten Corona-Verordnungen der Bundesländer zeigen aber: Im Kleingedruckten sind die Bundesländern von einer einheitlichen Linie weit entfernt – Altmaiers Appell dürfte hier ein frommer Wunsch bleiben.

Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 19. April 2020 um 12:30 Uhr.

Artikelquelle

Artikel in der gleichen Kategorie: