Erik Thommy ist neben Rouwen Hennings der wichtigste Profi von Fortuna Düsseldorf. Der 25 Jahre alte Offensivspieler war in der laufenden Saison an elf Fortuna-Toren beteiligt. In diesen Partien holte der Klub 16 seiner insgesamt 28 Punkte. Auch dank Thommy steht Düsseldorf auf dem Relegationsplatz und hat gute Chancen, den Klassenerhalt über die beiden Extra-Partien am 2. und 6. Juli schaffen zu können.

Allerdings läuft Thommys Vertrag – wie auch von 15 weiteren Fortuna-Profis – am 30. Juni aus. Deshalb arbeitet Düsseldorf an kurzfristigen Vertragsverlängerungen. „Wir werden jetzt alles so vorbereiten, dass wir für diese Eventualität gewappnet sind“, teilt Fortuna-Sportvorstand Uwe Klein dem SPIEGEL mit. Konkret heißt das: Auslaufende Verträge wie auch der von Kapitän Oliver Fink werden bis zum tatsächlichen Saisonende verlängert, diese Lösung wird auch bei Leihspielern wie Thommy angestrebt.

In diesen Fällen müssen zusätzlich Vereinbarungen mit den Klubs getroffen werden, zu denen die Spieler nach Leihende zurückkehren werden.

Dabei ist die Solidarität unter den Vereinen groß, das bestätigen neben der Fortuna auch Werder Bremen und Zweitligist Hamburger SV. Werder droht ebenfalls der Umweg über die Relegation. „Grundsätzlich gibt es in der Liga das Verständnis, dass die Saison mit allen Spielern, die einem Kader angehören, auch zu Ende gespielt werden kann“, sagte Werder-Manager Frank Baumann dem SPIEGEL. Die Einzelfälle müssten jedoch individuell besprochen werden. Baumann geht aber davon aus, dass „mit allen Spielern eine Einigung“ erzielt werde. Die grundsätzliche Bereitschaft aller betroffenen Profis bestätigte auch ein Sprecher des HSV.

Bei Thommy kommt ein pikanter Aspekt hinzu: Er steht eigentlich bei Zweitligist VfB Stuttgart unter Vertrag – ein denkbarer Relegationsgegner der Düsseldorfer. Doch auch hier wird es laut Fortuna in Kürze eine Einigung geben: Thommy darf auch im Fall einer Relegation gegen den VfB für Düsseldorf antreten.

Die Saison muss zuerst abgeschlossen werden

Die Stuttgarter hätten keinen individuellen Vorteil, wenn sie Thommy die Freigabe verweigern würden. „Wir haben die Sicherheit durch die DFL, dass kein Spieler eine Spielberechtigung für einen anderen Verein erhält, so lange die aktuelle Saison nicht abgeschlossen ist“, sagt Düsseldorfs Klein. Für die Deutsche Fußballliga haben die Klubs Vorrang, die ihre Saison noch beenden müssen. „Wir halten uns verbandsrechtlich an die Leitlinien der Fifa“, teilte ein DFL-Sprecher dem SPIEGEL mit.

Der Fußball-Weltverband ist gar nicht berechtigt, konkretere Vorgaben zu machen. Im April gab die Fifa erstmals Richtlinien zu Covid-19-Sonderfällen heraus, diese wurden nun am Donnerstag konkretisiert. In Vertragsangelegenheiten bleibt der Weltverband aber schwammig, die abgebenden Vereine sollen Vorrang haben. Es bleibt bei einem sollen. Das hat arbeitsrechtliche Gründe, die Fifa darf sich gar nicht näher einmischen. Einen Hebel haben die Verbände trotzdem, das ist die von Klein angesprochene Spielberechtigung. Sollte ein Vertrag, aus welchen Gründen auch immer, nicht über den 30. Juni hinaus verlängert werden, so soll der Spieler – laut Fifa – keine Spielberechtigung für die noch laufende Saison in einem neuen Verein bekommen.

In Spanien hat die Saison gerade erst wieder begonnen und endet am 19. Juli. 112 Spielerverträge laufen Ende Juni aus, in den meisten Fällen gehen die Klubs von einer Einigung mit den Profis aus. Das sieht auch in der Premier League nicht anders aus. Dort hat die Liga beschlossen, dass Verträge bis zum verschobenen Saisonende (26. Juli) verlängert werden können – wenn beide Seiten das wollen. Adam Lallana war in dieser Woche der erste prominente Profi, der das Angebot des FC Liverpool angenommen hat. Weitere Spieler wie Willian (Chelsea) oder Manchester Citys David Silva könnten folgen.

Da der Transfermarkt wegen der Coronakrise ansonsten jedoch nahezu zum Erliegen gekommen ist, gibt es auch andere Haltungen. Jan Vertonghen von Tottenham zögert offenbar mit einer Kurzzeitverlängerung bei seinem Noch-Klub, weil ihm das Risiko einer Verletzung zu groß erscheint und er so die Aussicht auf einen lukrativen Anschlussvertrag bei einem anderen Klub verspielen könnte.

Jonas Baer-Hoffmann, Generalsekretär von der Spielergewerkschaft Fifpro, zeigt Verständnis. Es sei „für Spieler sinnvoll, ihre Verträge auslaufen zu lassen und damit frei auf dem Arbeitsmarkt zu stehen“, teilt er dem SPIEGEL mit, auch vor dem Hintergrund, dass der Kampf um Profiverträge sich verschärfen könnte. Baer-Hoffmann sieht jedenfalls die Gefahr einer steigenden Arbeitslosenquote im Profifußball. Es gebe bereits Budgeteinbußen bei den Klubs und es sei auch unklar, wie sich das Sponsoring angesichts der unsicheren Wirtschaftslage entwickelt. Das könnte Aktivitäten auf dem Transfermarkt erschweren.

Was passiert bei den Champions-League-Klubs?

Unstrittig ist, dass die Spieler mit kurzzeitig verlängerten Verträgen im gleichen Umfang versichert sind. Verletzt sich ein Profi im Juli beim Training oder im Spiel, gilt es als normaler Arbeitsunfall und ist ein Fall für die Berufsgenossenschaft. Spielern wie Vertonghen droht im Verletzungsfall die vorläufige Arbeitslosigkeit. Bei Leihspielern hat der aufnehmende Klub einen Nachteil, den es unter normalen Umständen jedoch auch gäbe.

In der kommenden Woche will der europäische Fußball-Verband Uefa bekanntgeben, wie die Klubs aus den noch laufenden Champions- und Europa-League-Saisons mit Vereinswechseln oder auslaufenden Leihverträgen umgehen sollen. Es dürfte, wie bei der Fifa, nicht über Empfehlungen hinausgehen. Die beteiligten Klubs werden sich individuell einigen müssen.

Hertha BSC hat bereits vorgemacht, wie das aussehen kann. Lucas Tousart, dessen Leihgeschäft mit Olympique Lyon zum 30. Juni endet, hätte nach Fifa-Lesart für Lyon noch in der Champions League eingesetzt werden können. Immerhin ist der Einzug ins Viertelfinale nach dem 1:0-Sieg gegen Juventus im Achtelfinal-Hinspiel durchaus möglich. Doch OL verzichtet nach Verhandlungen auf Tousart, der französische U21-Nationalspieler wird wie ursprünglich geplant seinen Dienst in Berlin zur Vorbereitung auf die kommende Saison antreten. Man darf gespannt sein, wie sich der FC Bayern bei seinen Leihspielern Ivan Perisic, Philippe Coutinho und Álvaro Odriozola positionieren wird.

Und dann ist da noch der Fall Timo Werner

Leipzigs Nationalstürmer Timo Werner wird, so der Transfer zum FC Chelsea in den kommenden Tagen bestätigt wird, der vorerst einzige Transfer zwischen zwei aktuellen Champions-League-Teilnehmern sein. Chelsea droht nach dem 0:3 im Hinspiel gegen die Bayern das Achtelfinal-Aus, sein derzeitiger Klub RB Leipzig steht bereits im Viertelfinale. Sollte die Königsklasse, wie von der Uefa geplant, im August fortgesetzt werden, stellt sich die Frage, für welchen Verein Werner dann wird auflaufen dürfen.

Für Chelsea auf keinen Fall, der 24-Jährige wird keine Spielgenehmigung erhalten. Also für Leipzig?

Leipzigs Trainer Julian Nagelsmann schlug wohl auch vor diesem Hintergrund jüngst eine Abstellungspflicht an die alten Vereine für die internationalen Wettbewerbe vor. Baer-Hoffmann hält das für unwahrscheinlich. „Verpflichten kann man rechtlich dazu nicht. Selbst eine Fifa-Regel hätte in dem Fall juristisch wenig Wert, da die individuelle Vertragsfreiheit dem entgegen steht und im Zweifelsfall vor Gericht wohl gewinnen würde.“

Ob es zu einer Sondererlaubnis kommt? Eher unwahrscheinlich. Die Londoner werden Werner in der Vorbereitung auf die kommende Saison in ihren Kader integrieren wollen. Werner wird vermutlich auf das erste Champions-League-Viertelfinale seiner Karriere verzichten müssen.

Icon: Der Spiegel

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